Lee, Sharon & Miller, Steve - Liaden 1 - Eine Frage der Ehre V2
auf dem sich die verschiedensten Leckereien türmten.
»Du erscheinst genau im richtigen Augenblick!«, rief Shan yos’Galan und drückte abermals auf die Schalter in der Tischplatte. »Und jetzt darfst du uns einen Brandy kredenzen, Gordy …«
Schiffsjahr 65, Reisetag 131, Erste Schicht, 1.30 Uhr
D ie ehemalige Frachtmeisterin Priscilla Mendoza lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und trank aus einem Becher richtigen Kaffee; vor ihr auf dem Tisch befanden sich die Reste einer wirklich köstlichen Mahlzeit.
Die Tests hatten lange gedauert – und waren ihr reichlich merkwürdig vorgekommen. Außer den üblichen Prüfungen hatte man ihr noch scheinbar wahllose Listen mit Begriffen vorgelegt, die sie definieren sollte; man fragte, welche Bücher sie am liebsten las, welche Musik sie bevorzugte, ob sie Sport trieb und sich künstlerisch betätigte. Zum Schluss sollte sie ihre Meinung zu allen möglichen Themen äußern.
Priscilla seufzte und schlürfte genießerisch ihren Kaffee. Sie fühlte sich erschöpft, und ihre Gedanken arbeiteten wie in Zeitlupentempo. Bald würde sie wieder einen Blick auf den Plan werfen, den man ihr gegeben hatte, und den Weg zu ihrer Kabine austüfteln müssen. Vorerst jedoch wollte sie sich ganz der Muße hingeben, die man ihr gönnte; sie war vollauf damit zufrieden, einfach nur dazusitzen, Kaffee zu trinken und den Blick ziellos durch die große, nahezu leere Messe wandern zu lassen.
Der diensthabende Koch hatte ihr erzählt, dass normalerweise niemand zur Ersten Stunde den Speisesaal aufsuchte. Als sie sich dafür entschuldigte, ihm Arbeit aufzuhalsen, tat er ihre Bemerkung mit einem fröhlichen Lachen ab, häufte ihr einen Teller voll und stellte diesen zusammen mit einem dampfenden weißen Becher auf ein Tablett.
»Fangen Sie damit an«, meinte er breit grinsend. »Wenn Sie danach immer noch hungrig sind, kommen Sie zu mir und holen sich einen Nachschlag.«
»Ich danke Ihnen.« Verwirrt starrte Priscilla auf das Tablett. So üppig war sie seit Monaten nicht mehr verpflegt worden. Der Mann lachte abermals, als er ihre offenkundige Verblüffung bemerkte, und widmete sich wieder seinen anderen Pflichten.
Sie spürte, wie ihr langsam die Augen zufielen. Wie kommt es, dachte sie schläfrig, dass ich mich hier so geborgen fühle?
Mit einem Ruck setzte sie sich gerade hin, drückte das Kreuz durch und leerte den Kaffeebecher in einem Zug. Sie durfte sich keinen trügerischen Illusionen hingeben; wenn sie Pech hatte, saß sie morgen nach einem Gespräch mit dem Captain wieder auf Jankalim fest, ohne irgendetwas erreicht zu haben – bis auf die Tatsache, dass sie ein paar wirklich ausgezeichnete Mahlzeiten an Bord der Passage zu sich genommen hatte. Von den Tests und dem Captain hingen ihre unmittelbare Zukunft ab. Und die alles entscheidende Frage war, ob er sie für glaubwürdig hielt oder nicht.
Wieder entfuhr ihr ein tiefer Seufzer; eigentlich hat er gar keinen Grund, mir zu glauben, dachte sie bei sich. Für ihn war sie eine Wildfremde, noch dazu mit einem schlechten – wenn auch getürkten – Zeugnis. Aus dem Augenwinkel erhaschte sie eine Bewegung; sie blickte hoch.
Vor ihr stand ein mittelgroßer Terraner; in der Hand hielt er einen Kaffeebecher, und auf seinem runden Gesicht zeichnete sich ein Ausdruck der Bewunderung ab.
Priscillas Magen zog sich zusammen; fängt das etwa schon wieder an, schoss es ihr durch den Kopf.
»Hallo«, grüßte der Mann salopp. »Sie müssen die einzige Person an Bord sein, die während dieser Reise keine Botschaft zu verschicken hat.«
»Das kommt daher, dass ich gar nicht an Bord bin«, stellte sie richtig; dann lächelte sie und schüttelte den Kopf. »Was rede ich da für einen Blödsinn? Ich wollte sagen, dass ich mich lediglich als Gast auf diesem Schiff aufhalte …«
»Ach, wirklich?«, entgegnete der Mann interessiert und streckte ihr seine gepflegte Hand entgegen. »Rusty Morgenstern, Funktechniker. Freut mich, Sie kennen zu lernen, Ms. …«
»Mendoza.« Sie nahm seine Hand und drückte sie; zu ihrer angenehmen Überraschung fiel ihr auf, dass Rusty gar nicht erst versuchte, den körperlichen Kontakt über Gebühr zu verlängern. »Priscilla Mendoza. Möchten Sie sich nicht zu mir setzen?«
»Danke, gern.« In entspannter Haltung nahm er Platz, stützte die Ellenbogen auf der Tischplatte ab und legte beide Hände locker um den Kaffeebecher. »Wen besuchen Sie, wenn ich mir die Frage erlauben darf? Oder bin ich zu
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