Lee, Sharon & Miller, Steve - Liaden 1 - Eine Frage der Ehre V2
nach außen hin Gelassenheit heuchelnd. Sie wollte unbedingt Haltung bewahren, klammerte sich daran, als bedeute ein souveränes Auftreten ihre letzte Hoffnung auf Rettung. Große Göttin, gib, dass er mir zuhört, betete sie in Gedanken. Lass ihn die Wahrheit erkennen.
»Ach ja, der gute alte Sav Rid.« Auf seinen Zügen zeichnete sich ein Hauch von Verwirrung ab. »Wissen Sie, Ms. Mendoza, er ist bekannt dafür, dass er anderen Leuten gern mal einen Streich spielt, der mitunter etwas derb ausfällt. Aber hätte es ihn nach Ihren Ohrringen gelüstet, hätten ihm sicher andere Mittel und Wege zu Gebote gestanden, um Sie dazu zu veranlassen, sich von diesem Schmuck zu trennen. Wieso sollte er dem Zweiten Maat den Befehl erteilen, Sie bewusstlos zu schlagen und sich dann an Ihrem Eigentum zu vergreifen?« Er schnippte lässig mit den Fingern. »Lassen Sie mich spekulieren: Er bot Ihnen an, die Ohrgehänge für einen fairen Preis zu kaufen, aber Sie lehnten ab. In seiner Verzweiflung, doch noch die begehrten Objekte zu ergattern …«
»Hören Sie mit diesem Blödsinn auf!«, schnauzte sie, ihm fest in die Augen blickend. »Captain yos’Galan, ich bitte Sie. Es ist mir bitterernst, was Sie sicher verstehen können. Und ich muss unbedingt nach Arsdred gelangen. Es ist ein großer Hafen – ich hatte gehofft, Ihr Schiff würde ihn anlaufen. Wenn Sie mich mitnehmen, übernehme ich jede Arbeit an Bord, und sei sie noch so unangenehm. Ich werde mir die Passage nach Arsdred verdienen. Von mir aus als Küchenhilfe, und in meiner Freischicht dürfen Sie mich irgendwo in einen Spind einschließen. Ich verlange gar nicht, dass Sie mir Ihr Vertrauen schenken – glauben Sie meinetwegen, was Sie wollen. Ich fasse es nicht als Witz auf, wenn man jemanden auf einem fremden Planeten zurücklässt und durch ein schlechtes Zeugnis dessen berufliche Zukunft ruiniert. Mit diesem Eintrag finde ich nirgendwo mehr eine ehrliche Arbeit …« Zu ihrem Entsetzen merkte sie, wie ihr langsam die Stimme versagte. Erschrocken biss sie sich auf die Lippe und verschränkte ihre Hände fest ineinander, damit ihr Gegenüber nicht merkte, wie sehr sie zitterten. »Ich muss nach Arsdred.«
Er wandte den Blick von ihr ab, betrachtete angelegentlich sein Weinglas, ehe er es an den Mund setzte, und meinte nach einer Weile: »Der Wunsch nach Rache ist ein vollkommen legitimes Anliegen. Bei den Liaden hat sich die Revanche zu einer regelrechten Kunstform entwickelt. Es gibt dafür strenge Regeln. Aber bestimmte Vergeltungsmaßnahmen hält man für unangemessen, für nicht korrekt.« Er sah sie wieder an. »Dass man seinen Gegner umbringt, zum Beispiel. Jedenfalls darf er nicht durch die Hand der sich rächenden Partei zu Tode gebracht werden. Sollte indessen die Schande, die einem zugefügt wurde, so ungeheuerlich sein, dass einem gar nichts anderes übrig bleibt, als zu diesem letzten Mittel zu greifen …« Er zuckte mit den Schultern. »Nun ja.« Er setzte das Glas ab und fasste Priscilla aufmerksam ins Auge. »Auf diesem Schiff dulde ich keinen Mörder.«
Priscilla starrte ihn an. »Aber Sie tolerieren eine Diebin?«
»Sie sagten, es sei gelogen. Oder hatte ich Sie falsch verstanden? War vielleicht irgendein anderer Punkt erfunden?«
Das Zittern ihrer Hände ließ sich nicht länger unterdrücken. Es wurde immer heftiger, und sie spürte, wie auch ihre Arme und Beine schlotterten. Was glaubte der Captain? Dass man ihr Unrecht getan hatte, oder dass die Auskunft über sie gefälscht war? Sein Gesichtsausdruck ließ sich beim besten Willen nicht deuten.
»Das Zeugnis, das mir von der Daxflan ausgestellt wurde, beruht nicht auf Wahrheit. Ich habe weder gestohlen oder versucht, etwas zu entwenden, noch bin ich aus freien Stücken nicht an Bord zurückgekehrt. Diese Behauptungen sind gelogen.«
»Ist das eine offizielle Feststellung?«, erkundigte er sich noch einmal.
Priscilla schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht beweisen, dass ich unschuldig bin – wie sollte ich auch? Man verdächtigt mich des Diebstahls. Das Wort des Händlers steht gegen meine Aussage. Ohne konkretes Entlastungsmaterial kann ich mich nicht wehren. Nur eine Bemerkung zu der Unterstellung, ich sei desertiert.« Sie brachte ein mattes Lächeln zuwege. »Jeder, der nur einen Funken Verstand im Kopf hat, müsste sich doch fragen, wieso jemand ausgerechnet an einem Ort wie Jankalim sein Schiff verlässt, und das auch noch mit leeren Taschen …«
»Und ohne Ohrringe«, ergänzte
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