Lee, Sharon & Miller, Steve - Liaden 1 - Eine Frage der Ehre V2
von okkulten Objekten rissen sich um derlei Artikel. Doch bei jedem einzelnen Reifen, den sie versetzte, hatte ihr Herz geblutet.
Behutsam gab sie die Armreifen zu den anderen Sachen. Auf dem Boden des Kästchens befand sich noch ein einziger Gegenstand – eine kleine rote Schachtel.
Stirnrunzelnd pickte sie sie heraus.
»Was sind das für Sachen?«, erkundigte sich Rusty und brach das Schweigen, das während der letzten Minuten geherrscht hatte.
»Meine … Besitztümer«, antwortete Priscilla zögernd. »Meine persönliche Habe, die auf der Daxflan zurückblieb, als das Schiff ohne mich abflog.« Sie hielt die rote Schachtel hoch. »Bis auf das hier. Ich habe keine Ahnung …« Sie nahm den Deckel ab.
Ohrringe!
Nicht ihre Ohrgehänge, die alt und reich verziert gewesen waren. Diese hier waren neu und in schlichtem Stil gehalten -einfache, unverzierte Ringe. Aber das unauffällige Design vermochte Priscilla nicht zu täuschen; das Gewicht und der spezifische Schimmer des Metalls verrieten ihr, dass es sich um Platin handelte, und der Künstler, in dessen Werkstatt sie entstanden waren, hatte jeden Ohrring stolz mit seinem Namen signiert.
Priscilla blickte Lina an. »Das sind nicht meine Ohrringe.«
»Ach!«
»Was hat das zu bedeuten?«, flüsterte sie.
Lina zuckte leicht mit den Schultern. »Gordy sagte doch, der Captain wolle sich bei dir entschuldigen. Vielleicht soll das eine Art Wiedergutmachung sein, weil er glaubt, dir stünde eine zu. Am besten, du fragst ihn selbst.«
»Du hast Recht.« Sie schloss die Schachtel und legte sie zu den übrigen Objekten.
Rusty nahm das Kaleidoskop und linste hindurch. »Hübsch«, brummte er vor sich hin.
»Grundgütige Mutter, ich habe total die Zeit vergessen!«, rief Priscilla plötzlich aus und schob ihren Stuhl nach hinten. »Ich bin ja nicht besser als Gordy! Ken Rik wird mir gehörig den Kopf waschen! Lina …«
»Ich kümmere mich um die Sachen«, kam ihre Freundin ihr zuvor. Sie griff nach dem Spiegel und begann, ihn wieder einzuwickeln. Mit zärtlichem Lächeln blickte sie hoch. »Mach schon, lauf los! Gib Ken Rik einen Kuss von mir.«
»Geh selbst hin, wenn du ihn unbedingt küssen willst«, versetzte Priscilla und sprintete zur Tür.
Rusty nahm ein Stück des dünnen Papiers und knüllte es ungeschickt um das Kaleidoskop. »Ich muss schon sagen, da hat der Cap’n sich was Komisches einfallen lassen«, sinnierte er.
Lina sah ihn an. »Findest du?«
»Allerdings.« Er maß die Liadenfrau mit einem abschätzenden Blick, ehe er sich wieder seinem Frühstück widmete. »Und tu bitte nicht so, als hieltest du dieses Geschenk für die normalste Sache der Welt. Im Grunde bist du genauso verblüfft wie ich. Wir zwei sind schon zu lange Bordkameraden, um einander etwas vormachen zu können.«
»Nun ja«, erwiderte Lina gedehnt, »ich könnte mir viele Gründe vorstellen, die ihn dazu veranlasst haben.«
Rusty grinste und trank seinen Kaffee aus. »Ich wusste doch, dass du völlig durcheinander bist«, versetzte er triumphierend und schob seinen Stuhl zurück. »Wenn dir mehr als ein Grund einfällt, komm zu mir in den Tower und gib mir Bescheid.«
Ken Rik hatte sie wegen ihrer Bummelei nur mit einem bösen Blick abgestraft, als sie außer Atem bei ihm ankam. Er drückte ihr ein Klemmbrett in die Hand und trug ihr auf, das Löschen der Ladung aus Frachtraum 4 zu überwachen. In bissigem Ton fügte er hinzu, ihre Kenntnisse reichten hoffentlich aus, um dafür zu sorgen, dass die Last dann im Shuttle ordnungsgemäß verstaut würde. Vor allen Dingen käme es darauf an, den Ballast gleichmäßig zu verteilen.
Priscilla blickte ihn aus großen Augen an. »Danke, dass Sie mich daran erinnern«, gab sie übertrieben freundlich zurück. »Andernfalls hätte ich es glatt vergessen. Aber Lina sagte mir bereits, wie hilfsbereit Sie sind.«
Der alte Mann beäugte sie voller Argwohn und entgegnete, er wüsste sehr genau, dass Lina nie etwas in dieser Hinsicht gesagt hätte. Doch Priscilla gewann den Eindruck, dass er sich anschließend trotzdem ein wenig umgänglicher gab.
Frachtraum 4 enthielt die in der Landwirtschaft genutzten Pflanzen Belmekit und Trasveld, die in Stasis gehalten wurden. Auf dem Klemmbrett stand die Lieferadresse: Polifant Sasoni, Außenweltbasar, Arsdred. Laut Frachtschein befanden sich in der letzten Palette irgendwelche »Proben«. Sie folgte dem letzten Transporter in den Shuttlehangar, in Gedanken schon bei ihrem Frühstück.
Ken Rik
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