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Leg dein Herz in meine Haende

Titel: Leg dein Herz in meine Haende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Garwood
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dem Rahmen einen kräftigen Stoß. Das Fenster glitt nach oben. Eine warme Brise drang in das Abteil.
    »Erzählen Sie mir, wie Kathleen war«, bat Grace.
    »Warum wollen Sie das wissen?«
    »Aus reiner Neugierde, mehr nicht.«
    Daniel legte seine Füße auf die Bank neben Grace, lehnte sich zurück und schloss die Augen. Seine Arme waren über der Brust verschränkt, und er sah aus, als ob er vorhätte zu schlafen.
    »Sie war das genaue Gegenteil von Ihnen«, antwortete er. »In jeder Hinsicht.«
    »Wie sah sie aus?«
    »Sie war groß und hatte braunes Haar und braune Augen. Und sehr viele Sommersprossen«, fügte er hinzu. »Sie machte sich ständig Sorgen um ihr Gewicht, aber das war nicht nötig, weil sie perfekt war, wie sie war. Kathleen war eine schöne Frau, äußerlich und innerlich. Und das war unsere Tochter auch. Sie sah genau wie ihre Mutter aus.«
    Mehrere Minuten verstrichen, bevor Grace eine weitere Frage stellte. »Wie lernten Sie sich kennen?«
    »Ich hielt auf dem Weg nach Dillon an der Farm ihres Vaters, und sie arbeitete im Garten. Sie lag in der heißen Sonne auf den Knien und jätete Unkraut, und als sie zu mir aufschaute und lächelte, habe ich mich auf der Stelle in sie verliebt.«
    »Ich liebe Gartenarbeit«, sagte Grace, die glaubte, nun doch eine Gemeinsamkeit mit Kathleen entdeckt zu haben. »Ich hatte wundervolle Blumen - in allen Farben, die man sich nur vorstellen kann.«
    Daniel schüttelte den Kopf. »In Kathleens Garten gab es nur Gemüse. Sie war auf einer Farm aufgewachsen und hatte keine Zeit für Blumen. Sie bauten Gemüse an, um etwas auf dem Tisch zu haben. Sie sind in der Stadt aufgewachsen, nicht?«
    »Wir hatten auch einen Landsitz«, erzählte sie. »Wenn die Hitze in der Stadt unerträglich wurde, zogen wir uns dahin zurück.«
    Er runzelte bei der Vorstellung die Stirn. »Kathleen kannte solche Privilegien nicht, und sie hatte keine Zeit, um über die Hitze oder die Gesellschaft nachzudenken. Sie arbeitete von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, ganz gleich, bei welchem Wetter. Sie hatte keinen Schrank voll eleganter Ballkleider, aber dafür besaß sie Ehre, Anstand, Mut und Treue.«
    »Und ich nicht? Ist es das, was Sie mir sagen wollen, Daniel? Sie erzählten, Kathleen sei das genaue Gegenteil von mir gewesen. Sie besaß also Ehre, und ich nicht?«
    »Ich wollte damit nur andeuten, dass Sie anders sind.«
    Sie schaute ihm in die Augen und fragte leise: »Wollten Sie mich absichtlich verletzen?«
    Er antwortete nicht darauf, und sie schaute aus dem Fenster, um ihm nicht zu zeigen, wie sehr er sie gekränkt hatte. Was hatte sie getan, um ein solch geringes Urteil zu verdienen? Und wieso bedeutete seine Meinung ihr so viel?
    Sie kniff die Augen zusammen, um nicht zu weinen. Wenn er auch nur eine Träne sah, würde er es als Schwäche deuten. Aber sie war nicht schwach! Sie hatte zwar noch nie ei-nen Garten umgegraben oder Gemüse angepflanzt, aber das hieß noch lange nicht, dass sie es nicht konnte.
    Ärger verdrängte ihren Schmerz. Wie konnte er es wagen, sie derart vorschnell zu beurteilen?
    »Es tut mir Leid, Grace. Ich wollte Sie nicht kränken.«
    Sie schaute ihn nicht an, als sie erwiderte: »Das haben Sie aber.«
    »Verdammt, Sie werden doch jetzt nicht weinen, oder?«
    Sie bedachte ihn mit einem ärgerlichen Blick. »Nein, das werde ich nicht!«, versetzte sie. »Aber belügen Sie mich nicht! Sie wollten mich verletzen, und Sie könnten wenigstens so ehrlich sein, es zuzugeben.«
    »Also gut. Ich wollte Sie verletzen. Würden Sie bitte das Fenster schließen? Es wird hier drinnen kalt.«
    »Es ist heiß wie in einem Backofen«, widersprach sie.
    »Schließen Sie es bitte.«
    Sie stand auf, um seine Bitte zu erfüllen, und wandte sich dann wieder zu ihm um. »Haben Sie sich erkältet, Daniel?«
    »Nein«, murmelte er. »Ich bin bloß müde.«
    »Eben war Ihnen noch heiß, und jetzt frieren Sie.«
    Sie setzte sich neben ihn auf die Bank, und bevor er sie daran hindern konnte, hob sie die Hand und berührte seine Stirn. »Sie haben Fieber, Daniel. Ich glaube, Sie haben sich mit der Influenza angesteckt.«
    »Grace, gehen Sie zu Ihrem Platz zurück, und lassen Sie mich in Ruhe. Bitte.«
    Sie ging zu ihrem eigenen Sitz zurück und betrachtete ihn sorgenvoll. »Jetzt verstehe ich, warum Sie so mürrisch sind. Es geht Ihnen nicht gut.«
    Der Zug schlingerte in den Schienen um eine weiter Kurve, das Abteil schwankte, und Daniels Magen revoltierte.
    »Ich bin nicht

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