Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)
Geld«, informierte Herr Herzog mich. »Viel Geld. Genug für neue Pfannen. Wir haben welche auf Lager, die würden gerade für Ihr Dach reichen. Könnte ich Ihnen zum Vorzugspreis überlassen.«
»Sind die auch blau?«, fragte ich.
Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Nein, das wäre teure Premiumware. Die legen wir uns höchstens auf Sonderbestellung von Bauherren rein, natürlich zum vollen Preis.«
Eine Sonderbestellung zum vollen Preis würde jedes Limit sprengen. Damit war das Thema vorerst erledigt. Nicht erledigt war dagegen die Frage, was mit den blauen Dachpfannen geschehen war, die ich schon gekauft und bezahlt hatte und die an Fritz Jück geliefert worden waren. Mittlerweile hatte Ines mehr als genug Zeit gehabt, meine Pfannen von dem Insolvenzverwalter herauszuverlangen.
Ich versuchte den ganzen Montag über, sie im Büro zu erreichen, doch sie war ständig auf Terminen oder in Besprechungen. Meine Bitte um Rückruf verhallte ungehört, und auf dem Handy ging nur der Anrufbeantworter dran. Auch hier bat ich sie per Mailbox, sich schnellstmöglich zu melden, doch erst um acht Uhr abends rief sie endlich zurück.
»Gott sei Dank!«, sagte ich erleichtert. »Ich dachte schon, ich erreiche dich nie mehr!«
»Mein Tag war sehr anstrengend, ich hatte pausenlos wichtige Termine«, sagte sie. Es klang erschöpft, fast so, als hätte sie sich mit letzter Kraft nach einem unmenschlich harten Vierzehnstundentag heim zu ihren hochbegabten Zwillingen geschleppt, die den ganzen Tag mit dem Erlernen von komplizierten mathematischen Theoremen zugebracht hatten und nun auch noch ein kleines bisschen von ihrer aufopferungsvollen Mutter haben wollten. Und der adlige, unglaublich verständnisvolle Gemahl hatte schließlich auch ein Anrecht auf ein rudimentäres Eheleben. Ich hatte ein Bild vor mir, auf dem er beim wohlig prasselnden Kaminfeuer stand, ihr ein Glas Sherry entgegenstreckte und sagte: »Well, Darling, höchste Zeit, dass du auch mal die Füße hochlegst und die schrecklich nervtötenden Mandanten außen vor lässt. Soll ich dir die Schultern massieren?«
»Es tut mir leid, dass ich dich so spät noch störe«, sagte ich angemessen demütig. »Aber es ist wegen meiner Pfannen.«
»Was für Pfannen?« Es hörte sich eine Spur gereizt an. »Kann man die Pizzabrötchen für das Abitreffen nicht im Backofen machen?«
»Äh … ich rufe nicht wegen des Abitreffens an. Sondern wegen meiner Dach pfannen.«
Kurze Pause, dann sagte Ines: »Ach so. Stimmt. Jaaaaa …«
Das klang seltsam gedehnt und verhalten.
»Stimmt was nicht?«, fragte ich besorgt. »Ich meine, du hast doch ein Schreiben zu diesem Insolvenzverwalter geschickt, oder?«
»Tja, die Sache ist die«, sagte Ines, und diesmal klang es eindeutig zurückhaltend. »Hier liegt leider ein Interessenkonflikt vor. Ich hätte dich spätestens morgen deswegen angerufen, heute habe ich es leider nicht mehr geschafft.«
»Was für ein Interessenkonflikt?«, fragte ich mit aufkommender Panik. Was immer sie meinte – es klang nach einem Todesstoß für meine Interessen. Und es war tatsächlich einer, wie ich gleich darauf von Ines erfuhr. Mit zahlreichen blumigen juristischen Wendungen setzte sie mir auseinander, dass sie mich in dieser Angelegenheit nicht länger vertreten könne, da sie leider, leider schon mal in einer anderen Angelegenheit für die Firma Jück tätig gewesen sei. Nicht sie selbst, nein, nein, das nicht, sonst hätte sie es mir ja gleich gesagt, sondern einer der Partner aus der Kanzlei, weshalb es ihr nun aus Standesgründen verboten sei, gegen die Firma Jück als frühere Mandantin der Kanzlei tätig zu werden. Zumal die Angelegenheit, in der ihre Kanzlei die Firma Jück vertreten habe, noch nicht beendet sei, was quasi erschwerend hinzukäme und bedauerlicherweise, alles in allem, als echtes Hemmnis für eine Mandatsübernahme zu gelten habe. Mit anderen Worten, mein Dach war für sie anwaltlich tabu. Falls ich mal mit dem neuen Dachdecker Ärger hätte, oder vielleicht mit den Installateuren, da könne sie sicher was für mich reißen. Aber nicht bei Fritz Jück. Da ginge jetzt nicht mal mehr eine Beratung. Leider.
Dafür, und nun wurde ihre Stimme wieder lebhafter, könne sie mir mit Freude mitteilen, dass meine Gerüstangelegenheit sich positiv entwickle. Den Antrag auf Einstweilige Verfügung habe sie vorerst abschmettern können. Zwar folge nun noch ein Hauptsacheverfahren, aber dem könne ich gelassen entgegensehen, weil mein
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