Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)
und sie zwingen, auf ein Teststäbchen zu pinkeln?
Tatsächlich überlegte ich, genau das zu tun, doch Berit brach in Kichern aus, als ich sie fragte, wie ich es am besten anstellen konnte, Lucy aufs Klo zu locken. Sie konnte sich überhaupt nicht wieder beruhigen, weil sie es sich bildlich vorstellte und dann erst recht lachen musste.
»Na klasse«, sagte ich frustriert. »Wenigstens einer, der meine Probleme komisch findet.«
Doch das war noch nichts gegen den Lachkrampf, den sie erlitt, als ich ihr vom Krankenbesuch des Proktologen erzählte. Sie musste derartig losprusten, dass Luigi, in dessen Lokal wir uns wieder mal zum Mittagessen getroffen hatten, den Notdienst rufen wollte, weil er dachte, sie hätte sich an den Linguine verschluckt.
»Weißt du, was der Hammer ist?«, fragte sie japsend. »Bei diesem Doktor Lärm mit Tee haben Rainer und ich uns zufällig damals kennengelernt. Die Welt ist doch klein!«
Genau dasselbe fand ich zwei Tage später auch. Da sah ich nämlich das Frettchen wieder – im Schwimmbad.
*
Ich hatte meiner Familie einen Besuch im Wellenbad vorgeschlagen. Dass meine Motive wenig mit Schwimmen zu tun hatten, verriet ich nicht. Tobias hatte mir nämlich ganz beiläufig erzählt, dass er sonntagnachmittags gern schwimmen ging, am liebsten im Wellenbad. Dabei hatte ich den Eindruck gewonnen, dass er nichts dagegen gehabt hätte, mir dort vielleicht zufällig zu begegnen. Prompt hatte ich beschlossen, dem Zufall auf die Sprünge zu helfen.
Natürlich konnte ich nicht allein hingehen, das hätte dämlich ausgesehen. Wenn schon, dann mit Familie. Die bei dieser Gelegenheit Tobias ganz zwanglos näher kennenlernen konnte.
»Wir wollten doch längst mal wieder ins Wellenbad«, sagte ich fröhlich. »Wer will mit?«
»Darfst du denn überhaupt schon wieder schwimmen?«, fragte Helga.
»Ich werde sehr vorsichtig sein«, behauptete ich.
Timo war sofort Feuer und Flamme, Sophie und Benedikt wollten ebenfalls mit, und sogar Helga und Lieselotte schlossen sich an.
Meine einzige Sorge war, dass ich in dem neuen Badeanzug unmöglich aussah. Doch sogar meine in Modefragen sonst immer so überkritische Tochter meinte in der Umkleidekabine, dass er mir ganz gut stand.
»Für dein Alter siehst du noch passabel aus, Mama. Jedenfalls im Vergleich.«
»Im Vergleich zu was?«, fragte ich besorgt. Einer Seekuh? Einem trächtigen Rhinozeros?
»Na ja, wenn ich mir zum Beispiel die Mutter von der Melanie angucke … Dabei ist die sogar noch zwei Jahre jünger als du!«
Die Mutter von der Melanie kannte ich von diversen Elternabenden. Sie wog zweieinhalb Zentner, trug Stützstrümpfe bis zum Nabel und hatte Oberschenkel vom Umfang einer hundertjährigen Eiche.
Sicherheitshalber legte ich mir ein großes Handtuch um die Hüften, bevor wir in die Schwimmhalle gingen.
»Da vorn sind noch freie Liegen«, sagte Helga. Sie hatte Timo an der Hand und trug unter dem freien Arm einen großen aufblasbaren Dinosaurier.
»Ihr könnt sie ja schon mal belegen«, sagte ich, während ich möglichst unauffällig nach allen Seiten Ausschau hielt. »Aber vielleicht finde ich noch … bessere Plätze. Ich schaue mich ein bisschen um.«
»Ich komme mit.« Meine Mutter strich sich das Haar zurück. Es war klar, dass sie nicht nur schauen, sondern auch angeschaut werden wollte. Sie war tags zuvor in der Stadt gewesen und hatte sich ebenfalls einen neuen Badeanzug zugelegt, ein knapp geschnittenes Modell in Knallpink, und passend dazu einen Pareo, der mir merkwürdig bekannt vorkam. Ich hätte schwören können, dass sie den neulich in meinem Albtraum getragen hatte. In der Realität sah sie allerdings erstaunlich gut damit aus, kaum zu fassen, dass sie schon über siebzig war. Wenn ich auch nur ein paar passende Gene von ihr geerbt hatte, konnte ich für meine späten Tage noch hoffen.
Suchend ging ich am Beckenrand auf und ab, doch Tobias entdeckte ich nirgends. Auch im Wasser war er nicht. Ich sah sogar beim Kinderbecken nach, ohne Erfolg. Vielleicht hatte er sich für diesen Nachmittag etwas anderes vorgenommen. Oder er schob Dienst.
Meine Mutter hatte sich am gegenüberliegenden Beckenrand beim Bademeister festgequatscht, einem ansehnlichen, braun gebrannten Typ, der höchstens halb so alt war wie sie, doch das schien weder sie noch ihn zu stören. Beide lachten so laut, dass es bis zu mir herüberhallte.
Ich beendete meine Suchaktion und wollte gerade zu den anderen zurückgehen, als am Rand des Kinderbeckens
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