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Leg los alter Sack

Leg los alter Sack

Titel: Leg los alter Sack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kester Schlenz
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Käpt’n Ahab, Der fliegende Holländer, Die Pest an Bord, Tsunamis, Riesenkraken, Killerwale, The Deep Blue. Und selbst wenn er das nicht tut: Ich kann fast spüren, wie sich eine Frage in fettgedruckten Bildbuchstaben hinter seiner Stirn formiert: Im Zweifelsfalle würde es also selbst ein Michael Phelbs oder Franzi von Almsick nicht ans Ufer schaffen. Ich hake also nach: »Also, was ist jetzt, Kessi. Ja oder ja!?«
    Die Antwort ist stereotyp. Herr Schlenz blättert in seinem Terminkalender oder tut zumindest so: »Warte mal, ich gucke gerade, wann genau … Juni? Ach, sorry, geht nicht, weil …«
    Es kling nach Erleichterung. Als hätte er die rettende Insel erreicht. Herr Schlenz schiebt dann irgendwelche drittklassigen Ausreden und wurmstichigen Gründe vor. Und zwar: fährt er mit der Familie nach La Palma – wandern. Hat er große Themenkonferenz beim Stern . Baut er einen neuen Teich im Garten. Muss er sein Buch fertig schreiben. Hat Henri (sein ältester Sohn) einen Chorauftritt. Feiert die Schwägerin in New York Geburtstag. Muss Herr Schlenz zur Fußpflege. Oder was weiß ich. Ich weiß nur, dass die Wurzel aller gesammelten Antworten und Ausreden stets lautet: »Nein, danke.«

    Ich denke mir dann meinen Teil, nämlich: selbst schuld bzw. jammerschade, Herr Schlenz.
    Du weißt nicht, was dir entgeht, Mann. Segeln ist so ziemlich das Größte, was Männer im besten und selbst im zweitbesten Alter machen können.
    Gerade, wenn man, was die Brutpflege betrifft, aus dem Gröbsten raus ist. Wenn die Frau weise oder genervt genug ist, ihren Mann mal wieder allein ziehen zu lassen. Einmal Vatertag ist nämlich zu wenig.
    Männer brauchen Männer. Und Männergespräche. Kumpels und Kameraden um sich. Mitstreiter und Mitsegler – im Kampf mit den Elementen.
    Im Zuge der Familiengründung bleiben viel zu viele davon auf der Strecke. Mit fünfzig ist, finde ich, ein gutes Alter erreicht, um sich zur Abwechslung auch mal am Busen der Natur zu erlaben. Man ist noch fit genug, um an den Schoten zu zerren, die Segel dichtzuholen, bei Windstärke sechs eine Suppe aufzusetzen oder bei sieben Beaufort unter Deck aufs Klo zu gehen (auch das kann nämlich sportlich sein). Wie oft soll ich das eigentlich noch sagen?

    Damit Herr Schlenz die Segnungen des Segelns endlich kapiert, gebe ich es ihm und Ihnen, hier und jetzt, noch mal schriftlich. Kann ja sein, dass meine maritime Mission so schwarz auf weiß eine überzeugendere Wirkung hat, noch dazu im eigenen Ratgeber! Papier ist außerdem geduldig. Und Gründe fürs Segeln gibt es, wie gesagt, genug.
    1. Wasser ist lebenswichtig: 71 Prozent des Planeten, den wir bewohnen, sind mit Wasser bedeckt. Alles Leben kommt aus den Ozeanen. Wir selbst bestehen zu knapp 70 Prozent aus H 2 O und haben noch Reste bzw. Rudimente von Schwimmhäuten zwischen
den Fingern. Warum also nicht hin und wieder das Element wechseln und sozusagen Gleiches zu Gleichem gesellen, den eigenen Aggregatzustand wechseln. Den bleiernen Ballast über Bord werfen und seine Befindlichkeit vorübergehend vergolden. Das Leben an Land und damit in der Regel auch alle Sorgen hinter sich lassen.
    Nicht von ungefähr kommt das Wort Wellness in Wahrheit von »Welle«.
    Wenn man irgendwo die Seele baumeln lassen kann, dann ja wohl im leichten Seegang. Ankernd, in der Hängematte auf dem Vorschiff oder gemütlich in der Koje. Und falls die alte Indianerweisheit stimmt, dass unsere Seele nicht schneller als ein Pferd reisen kann, was ich glaube (ich sag nur Jetlag), dann ist ein Segelschiff die ideale Alternative. Ein Seepferdchen sozusagen, gemütlich die Wellen abreitend. Und ob man im Auto am Steuer oder auf einer Yacht am Ruder sitzt, ist ein Riesenunterschied (man kann zum Beispiel eine Schleppangel hinterherziehen!, und ein Steuerfehler endet selten am Baum). Außerdem ist man ständig an der frischen – o.k., je nach Revier –, auch sehr frischen Luft. Auch die hat noch keinem geschadet.
    2. Ach so, und was ist mit Seekrankheit bzw. Shouting for Ralph, wie der Brite sagt. Sie meinen, wenn also die Seele gar nicht erst ins Baumeln kommt, sondern gleich über Bord gekotzt wird? Ein berechtigter Einwand. Vor Seekrankheit ist niemand gefeit. Doch es gibt Mittel: Pillen, Druckarmbänder, Ingwertee, Atemtechnik, Meditation. Pflaster hinters Ohr. Am besten von allem aber hilft ein guter Wetterbericht. Wenn von viel Sonne und umlaufenden Winden die Rede ist, wenn also kaum Seegang herrscht, kann man statt Ölzeug

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