Leg los alter Sack
anderem wird man herausfinden, ob es stimmt, was
eingefleischte (Nordsee-)Segler behaupten, Segeln sei, wie unter einer kalten Dusche zu stehen und Fünfhundert-Euro-Scheine zu zerreißen. Kann man Angehörige und Freunde fürs Segeln begeistern? Aus eigener Erfahrung weiß ich, das ist nicht immer einfach. Viele wollen und können nicht. Andere könnten, aber wollen/trauen sich nicht. Ich könnte hier jetzt Namen nennen.
5. Kein Wunder! Alles in allem ist Segeln doch viel zu gefährlich, oder …? Klare Antwort: Nein. Jährlich kommen laut BSU – Bundesstelle für die Untersuchung von Schiffsunfällen, ja, die gibt’s – in der Sportschifffahrt im Schnitt nur zehn tödliche Unfälle mit deutscher Beteiligung vor. Das ist, gemessen an der gigantischen Zahl aller Wassersportler, verschwindend wenig und macht Billard, Sackhüpfen und Briefmarkensammeln zu weitaus gefährlicheren Sportarten und Hobbys. Die meisten verunglückten Segler werden übrigens irgendwann mit offenem Hosenstall angespült. Kein Witz – jedenfalls nicht meiner.
Die Wasserschutzpolizei stellt dann die Todesursache fest: freihändiges Pinkeln mit Todesfolge.
In der Praxis sieht das so aus: eine Hand am … genau, die andere am Bier. Nachts oder bei Seegang dem Harndrang nachgeben ist Harakiri (nur weil man zu faul war, sich das Ölzeug auszuziehen und sich auf ein schwankendes Klo zu setzen). Eine Welle und: Mann über Bord. Feierabend. Nicht schön, aber vermeidbar, jene Art des Wasserlassens, die sonst so oft von den Männern selbst als genetischer Vorzug gepriesen wird.
Wenn ich segeln gehe und die Verantwortung über die Crew und das Schiff habe – und wie gesagt, captain’s word is law –, gilt: Don’t sail
and sauf. Außenbords zu urinieren wird generell schon vor der Reise verboten. Das Alkoholverbot erst abends gelockert, wenn man nach einem längeren Ritt friedlich in der Bucht oder sicher im Hafen liegt, kann man sich einen »Anlegeschluck« im Cockpit oder Salon genehmigen. Oder zwei. Die Seefahrt lebt von Ritualen. Und selten schmeckt ein Gin Tonic, Whisky, Bierchen besser als an Bord einer Yacht. Und ein Schlückchen in Ehren bzw. schwedischen Schären kann man getrost als lebensverlängernde Maßnahme einstufen.
6. Also auf zu neuen Ufern. Denn hinterm Horizont geht’s weiter. Oder wie? Genau. Und beides lässt sich am besten mit einem Segelschiff erkunden. Dem klassischen Gefährt aller großen Entdecker. Sowie man den Hafen verlassen hat, stellt sich dieses Gefühl von Freiheit ein. Vielleicht, weil der Horizont so unerreichbar ist und die Gemeinheit hat, einen immer auf gleicher Distanz zu halten.
Dafür kann das Auge mal auf unendlich stellen, der Sehnerv entspannt sich. Nichts stört. Keine hässlichen Häuser, Staus, Strommasten … die ganzen Wucherungen der Zivilisation. Das Meer ist vergleichsweise unbebaut. Ja, jungfräulich (beispielsweise gibt es keine Bremsspuren).
Die Seele seufzt und streckt sich.
Hin und wieder ein anderes Schiff. Eine Steilküste, die man allmählich passiert, ’ne Möwe, Reflexionen im Wasser. Und Geschaukel wie zuletzt in Mamas Bauch. Dazu den Wind in den Ohren und am Bug eine Schule Delphine, wenn man Glück hat.
Delphine sind immer ein Großereignis an Bord jeder Yacht. Alles rennt zum Bug, inklusive Rudergänger (er stellt auf Autopilot), und starrt ins Wasser. Die Delphine starren zurück. Als würden sie einen nachsichtig angrinsen und auf der Seite liegend sagen wollen: Ätschi bätsch, wir sind schneller als ihr. Eine Weile leisten sie einem Gesellschaft, surfen auf der Bugwelle, machen mal mehr, mal weniger motivierte Flippereinlagen. Aber stets lassen sie alle an Bord mit einem beseelten Grinsen bis hin zum Glücksgefühl zurück.
Segeln ist abwechslungsreich. Die Meere sind noch dieselben, auf denen schon die alten Entdecker gesegelt sind. Mit einem Segelboot kommt man zu entlegenen Gestaden und Inseln, wo andere gar nicht oder nur mit nervigen Ausflugsdampfern und dämlichen Kommentaren im Ohr hinkommen. »Und hier rechts sehen Sie …«
Eine Seepassage hat immer auch etwas Läuterndes. Segeln ist im Einklang mit der Natur und ökologisch korrekt.
Schöner lässt sich Wind nicht in Vortrieb umsetzen. Morgens kann man als Erstes einen Köpper ins Badezimmer machen (ohne sich den Schädel einzuhauen). In der Karibik weht einen abends eine warme Brise an. Und überhaupt: nachts im Passatwind zu segeln, nur mit Badehose und T-Shirt bekleidet … können Sie mich vor
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