Leg los alter Sack
gleich die Badehose anziehen. Mehr Wind dagegen erhöht den Druck in den Segeln und verleiht der Yacht eine halbwegs stabile Seiten- bzw. Schräglage (mehr als bei Motorbooten). Der Fachmann spricht von Krängung. Es gibt Katamarane, die noch stabiler im Wasser liegen.
Ganz entscheidend auch: welches Wasser bzw. Gewässer.
Es ist ein empfindlicher Unterschied, ob man im Südpolarmeer unterwegs ist oder auf der Schlei, Mallorca im Mai oder Neufundland im November.
Und wenn das alles nichts hilft – ganz sensiblen Mägen und Gemütern sei gesagt: Sobald der Hafen erreicht oder der Anker gefallen ist, geht Spuk und Spucken geradezu gespenstisch schnell vorbei. Ähnlich einer Wunderheilung. Lebensgeister und Hunger kommen wie ein Überfallkommando zurück. Versprochen. Und schön ist’s, wenn’s nachlässt.
3. O. k., aber was ist mit der Gruppendynamik? Hockt man sich auf einem Schiff nicht zu sehr auf der Pelle? Kurzum, kriegt man keinen Lager- bzw. Kojenkoller? In der Tat, ein Restrisiko bleibt. Der Mensch und Mitsegler als solcher. Die Wahl der Mitmatrosen ist ein wichtiges Kriterium für einen schönen oder schrecklichen Törn: »Wir sitzen alle im selben Boot.« Nirgends trifft dieser Satz mehr zu als beim Segeln. Der Lebensraum ist beengt. Sehr oft teilt man sich sogar eine Kabine. Schiffe sind hellhörig. Es wird mitunter geschnarcht wie bei den Neandertalern (Ohrstöpsel nicht vergessen). Die Privatsphäre reduziert sich auf ein erträgliches, für manche (Frauen) auch unerträgliches Minimum. Deshalb ist Segeln auch eine Männerdomäne.
Es gilt das musketiersche Motto: Alle für einen und einer für alle. Das ist in der Regel der Käpt’n, sein Wort ist Gesetz.
Meine Erfahrung als Skipper ist, dass eine Crew eine gewisse natürliche Autorität regelrecht erwartet und mit der Hierarchie an Bord überhaupt keine Probleme hat oder haben sollte. Was sämtliche seemännischen Entscheidungen angeht, kann man als Skipper ruhig mal den Seewolf raushängen lassen und problemlos einen Satz wie: »Schnauze, diskutiert wird an Land« raushauen. Muss man aber nicht. Es gibt, wie überall, guten und schlechten Führungsstil. Der Ton macht die Musik bzw. einen Törn. Basisdemokratie an Bord funktioniert aber nicht. Wer sich dem nicht aussetzen mag, sprich: alle Alphatiere, sollte Schiffe besser meiden.
In Wahrheit ist Segeln natürlich Teamarbeit. Im Idealfall geht die Gruppendynamik in die richtige Richtung, man verschweißt zu einer eingespielten Crew, vor allem bei schlechtem Wetter, bei der sich jeder auf seine Art einbringt. Gemeinsam werden wir das Schiff schon schaukeln (obwohl es oft genug umgekehrt ist). In der Regel hat das auch etwas sehr Geselliges und Zünftiges, ja, Männerbündisches. Man lernt die Menschen im Guten wie im Schlechten kennen. Und damit auch sich selbst – vor allem die eigene Toleranz und/oder die eigenen Grenzen in Sachen sozialer Kompetenz. Segeln ist so gesehen eine ebenso kommunikative wie kreative Angelegenheit. Immer auch ein Workshop.
Nirgends wird mehr kommuniziert. Es wird viel gelacht und nachgedacht.
Man kommt auf blöde wie begnadete Ideen. Ein permanentes Brainstorming – vor allem, wenn ansonsten um einen herum Flaute ist. Ideal auch für Leute/Singles/gelangweilte Paare, die Anschluss oder auch nur Geselligkeit im Urlaub suchen (siehe Kojencharter). Oder sonst was – ein Abenteuer etwa (siehe Swingersailing – gibt es, kenne ich mich aber nicht aus. Ehrlich nicht).
4. O. k., aber ist das Segeln selbst nicht so kompliziert, dass man sich auf nichts anderes konzentrieren kann? Diese komischen Knoten und die ganzen kryptischen Begriffe … Lee, Luv, reffen, gieren, fieren usw. In der Tat, das Vokabular auf Schiffen ähnelt einer Geheimsprache. Aber alles kann man lernen. Niemand soll sofort ein eigenes Schiff kaufen oder chartern und einen auf Columbus oder Magellan machen. Man kann mit Jollen und einem Strandcat anfangen (nass, schnell, hoher Spaßfaktor) und einen Schein machen. Man kann das auch sein lassen und stattdessen die ersten Male auf einer größeren Yacht mitsegeln und auf diese Weise erste Seemeilen sammeln.
Nichts ist falscher, als zu glauben, Segeln könne man auf dem Papier und/oder mit irgendwelchen Trockenübungen lernen.
Beim Segeln hat sich »learning by doing« bewährt. Ist man infiziert, kann man langsam über Segelscheine, einen Kursus oder den Kauf eines eigenen, kleinen Bootes nachdenken. Der Rest ergibt sich dann von selbst. Unter
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