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Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)

Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)

Titel: Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lu
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wenn Thomas ihn nicht in dieser dunklen Gasse getötet hätte. Aber das ist mir egal. Ich bin blind und bekomme keine Luft vor Wut und Verwirrung. Wie konnte er das einem Menschen antun, den er liebte? Wie kann er auch nur versuchen, diese Tat zu rechtfertigen? Was ist bloß los mit ihm?
    Hat Thomas nach Metias’ Tod, an den Abenden, wenn er allein in seiner Wohnung saß, jemals seine Fassade fallen lassen? Hat er jemals sein Soldaten-Ich abgelegt und als Mensch getrauert?
    Ich werde aus dem Zimmer und zurück über den Flur geschleift. Meine Hände zittern – ich versuche mit aller Kraft, meinen Atem ruhig zu halten, mein hämmerndes Herz zu beruhigen, Metias zurück in eine sichere Ecke meiner Seele zu drängen. Irgendwo tief in mir hatte ich immer noch gehofft, dass ich mich, was Thomas angeht, geirrt habe. Dass er nicht der Mörder meines Bruders ist.
    Am nächsten Morgen sind jegliche Emotionen aus Thomas’ Gesicht verschwunden. Er informiert mich, dass das Gericht in Denver von meinem Wunsch, den Elektor zu treffen, erfahren und beschlossen hat, mich ins Staatsgefängnis von Colorado zu verlegen.
    Kurz darauf bin ich auf dem Weg in die Hauptstadt.

DAY
    Wir landen pünktlich in Lamar, Colorado; der Morgen ist kalt und regnerisch. Razor verlässt mit seiner Einheit das Luftschiff. Kaede und ich warten in dem dunklen Treppenhaus am Hinterausgang seines Büros, bis es draußen leiser wird und die Besatzung größtenteils von Bord gegangen ist. Diesmal gibt es keine Wachen, die die Fingerabdrücke scannen und die Ausweiskontrollen durchführen, also können wir den letzten Soldaten direkt über die Rampe nach draußen folgen. Wir mischen uns unter die Truppen, die hier sind, um für die Republik zu kämpfen.
    Eisiger Regen trommelt auf den Boden, als wir die Pyramide verlassen und hinaus in das undurchdringliche Grau treten, das diesen Ort beherrscht. Der Himmel hängt voller brodelnder Sturmwolken. Landungsdocks säumen eine rissige Zementstraße, eine bedrohlich wirkende Reihe gewaltiger schwarzer Pyramiden, die sich in beide Richtungen erstreckt, die Seitenwände nass und glänzend vom Regen. Die Luft riecht abgestanden, feucht. Vollbesetzte Militärjeeps rasen an uns vorbei und spritzen Schlamm und Kies über den Gehweg. Die Soldaten hier haben sich alle einen breiten schwarzen Streifen über die Augen gemalt, der von einem Ohr zum anderen reicht. Offenbar gerade der letzte Schrei an der Front. Vor uns ragt der Rest der Stadt auf: graue Wolkenkratzer, die vermutlich als Kasernen für die Soldaten dienen. Ein paar davon wirken neu, mit glatten Mauern und getönten Fensterscheiben, andere dagegen sind voller Risse und der Putz bröckelt, so als würde ihnen seit Längerem immer wieder mal eine Dosis Granaten verabreicht. Ein paar liegen in Schutt und Asche und von einigen ist nur noch eine einzige Mauer übrig, die wie ein verfallenes Mahnmal in den Himmel ragt. Hier gibt es keine Stufenbauten, keine Weideterrassen, auf denen Viehherden grasen.
    Wir eilen die Straße hinunter, die Kragen unserer steifen Jacken hochgeschlagen, ein jämmerlicher Versuch, uns vor dem Regen zu schützen.
    »Diese Stadt ist bombardiert worden, oder?«, murmele ich Kaede zu. Meine Zähne klappern bei jedem Wort.
    Kaede öffnet in gespieltem Erstaunen den Mund. »Wow. Du bist ja ein richtiger Schnellmerker, was?«
    »Ich kapier das nicht.« Ich werfe einen Blick zu den halb zerstörten Gebäuden am Horizont. »Warum ist hier denn alles zerbombt? Die eigentlichen Schlachten finden doch weit weg von hier statt, oder nicht?«
    Kaede beugt sich zu mir herüber, damit die anderen Soldaten auf der Straße uns nicht hören können. »Die Kolonien sind schon in dieses Gebiet vorgedrungen, als ich wie alt war? Siebzehn? Egal, jedenfalls vor Jahren . Die Grenze von Colorado liegt mittlerweile gute hundert Meilen weiter landeinwärts, als die Republik uns weiszumachen versucht.«
    Nachdem ich so viele Jahre der unablässigen Propaganda der Republik ausgesetzt war, fühlt sich die Wahrheit an wie ein Schlag ins Gesicht. »Was? Soll das etwa heißen, dass die Kolonien den Krieg gewinnen werden?«, frage ich mit gedämpfter Stimme.
    »Danach sieht es schon seit einer ganzen Weile aus. Lass dir eins gesagt sein, Kleiner: Warte noch ein paar Jahre, dann fangen die Kolonien direkt vor deiner Haustür an.« Ihr Tonfall ist verächtlich. Vielleicht hat sie insgeheim irgendwelche Vorbehalte gegen die Kolonien. »Davon kannst du halten, was du willst«,

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