Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)
zwangsläufig die Finger. Bleib immer sauber, immer loyal. Aber er hat nicht auf mich gehört. Genauso wenig wie Sie.«
»Also haben Sie sein Geheimnis für sich behalten?«
Thomas stützt seinen Kopf wieder in die Hände. »Zunächst einmal habe ich Metias zur Rede gestellt. Er hat alles zugegeben. Ich habe ihm versprochen, keinem etwas davon zu erzählen, aber ganz tief in meinem Inneren wollte ich es. Ich habe nie etwas vor Commander Jameson geheim gehalten.« Eine Sekunde lang hält er inne. »Wie sich herausgestellt hat, hätte mein Schweigen sowieso nichts geändert. Die Sicherheitsleute beschlossen, Commander Jameson selbst eine Nachricht zukommen zu lassen. So hat sie es herausgefunden. Und dann hat sie mir aufgetragen, mich um Metias zu kümmern.«
In gebanntem Schweigen höre ich zu. Thomas wollte Metias nie töten. Ich versuche mir ein Szenario auszumalen, das ich einigermaßen ertragen kann. Vielleicht hat er sogar versucht, Commander Jameson davon zu überzeugen, den Auftrag jemand anderem zu geben. Doch sie hat abgelehnt und so beschloss er, ihn auszuführen.
Ich frage mich, ob Metias seinen Gefühlen je hat Taten folgen lassen und ob Thomas darauf eingegangen ist. So wie ich Thomas kenne, bezweifle ich das. Hat er Metias’ Liebe erwidert? Am Abend nach der Ehrenfeier anlässlich von Days Festnahme hat er immerhin versucht, mich zu küssen.
»Nach dem Ball«, murmele ich laut vor mich hin. »Als Sie mich …« Mehr muss ich nicht sagen, Thomas weiß sofort, worum es geht.
Ich verstumme, als er weiterhin zu Boden starrt und sein Gesichtsausdruck zwischen Leere und Schmerz hin- und herwechselt. Schließlich fährt er sich mit der Hand durchs Haar und sagt: »Ich habe neben Metias gekniet und ihn sterben sehen. Meine Hand lag auf dem Messer. Er …«
Mir wird schwindelig von seinen Worten und ich warte ab.
»Er hat mich beschworen, Ihnen nichts zu tun«, fährt Thomas fort. »Seine letzten Worte galten Ihnen. Am Tag von Days Hinrichtung habe ich versucht, Commander Jameson davon abzubringen, Sie festzunehmen. Aber, ich weiß auch nicht, Sie machen es einem verdammt schwer, Sie zu beschützen, June. Sie brechen so viele Regeln. Genau wie Metias. An dem Abend, beim Ball, als ich Ihnen ins Gesicht gesehen habe«, seine Stimme bricht, »da dachte ich, ich könnte Sie beschützen und dass mir das am besten gelingen würde, wenn Sie immer in meiner Nähe wären, wenn ich Ihre Zuneigung gewinnen könnte. Sogar Metias hatte Probleme, auf Sie aufzupassen. Wie hätte ich das erst schaffen sollen?«
Der Tag von Days Hinrichtung. Hatte Thomas mir nur helfen wollen, als er mich in den Lagerraum mit den Elektrobomben geführt hat? Was ist, wenn Commander Jameson schon die Vorbereitungen für meine Verhaftung getroffen hatte und Thomas bloß versucht hat, mich vorher zu erwischen? Um was? Mir zur Flucht zu verhelfen?
»Er hat mir viel bedeutet, wissen Sie«, sagt er schließlich in mein Schweigen hinein. Er gibt sich Mühe, unbeteiligt zu wirken, ganz der knallharte Offizier. Doch ich höre eine Spur von Traurigkeit in seiner Stimme. »Aber ich bin nun mal ein Republiksoldat. Ich habe getan, was ich tun musste.«
Ich stoße den Tisch beiseite und will mich auf Thomas stürzen, obwohl mir klar ist, dass ich an meinen Stuhl gefesselt bin. Thomas schreckt zurück. Meine Fesseln bringen mich zum Straucheln und ich falle auf die Knie, dann grapsche ich nach seinem Bein. Nach allem, was ich erreichen kann. Du bist so krank! Du bist so ein Heuchler! Ich will ihn umbringen. Noch nie in meinem ganzen Leben habe ich mir etwas so sehr gewünscht.
Nein, das stimmt nicht. Ich wünsche mir, Metias wäre wieder am Leben.
Die Wachen vor der Tür müssen den Lärm gehört haben, denn sie stürzen herein, und bevor ich weiß, wie mir geschieht, drücken mich mehrere Soldaten zu Boden, legen mir ein zusätzliches Paar Fesseln an und binden mich von meinem Stuhl los. Dann zerren sie mich auf die Füße. Ich trete wie wild um mich, lasse in meinem Kopf eine Liste jeglicher Angriffsarten ablaufen, die ich jemals während meiner Ausbildung gelernt habe, und versuche mit allen Mitteln, mich loszureißen. Thomas ist so nah. Er steht nur ein Stück von mir entfernt.
Thomas blickt mich einfach nur an. Seine Hände hängen an seinen Seiten herab. »Es war die gnädigste Art für ihn zu gehen«, ruft er mir zu.
Ich spüre Übelkeit, denn ich weiß, dass er recht hat und dass Metias wahrscheinlich zu Tode gefoltert worden wäre,
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