Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)
so namhaften Fan hatte.«
»Ich war nicht direkt ein Fan von ihm , obwohl er sicherlich ein beeindruckender Mensch war.« Anden greift zu seinem neuen Champagnerglas und trinkt einen Schluck. »Ich war eher ein Fan von Ihnen .«
Vergiss nicht, spiel deine Rolle. Lass ihn denken, dass du geschmeichelt bist. Und dich zu ihm hingezogen fühlst.
Zum Glück sieht er wirklich ziemlich gut aus, also versuche ich mich auf diese Tatsache zu konzentrieren. Das Licht der Wandlampen bringt sein welliges Haar zum Glänzen, seine olivenfarbene Haut schimmert warm und golden, seine Augen strahlen im satten Grün erster Frühlingsblätter. Ich spüre, wie mir ganz langsam eine zarte Röte ins Gesicht steigt. Sehr gut, weiter so! Er ist ein eher südländischer Typ, doch der sanfte Schwung seiner großen Augen und die ebenmäßige Stirn darüber lassen auch asiatische Wurzeln vermuten. Genau wie bei Day.
Plötzlich ist meine Konzentration dahin und ich sehe nur noch Day und mich, wie wir uns in dem Badezimmer in Vegas küssen. Ich denke an seine nackte Brust, seine Lippen an meinem Hals, seine berauschende Furchtlosigkeit, die Anden daneben blass wirken lässt. Die leichte Röte meiner Wangen vertieft sich zu einem heißen Glühen.
Der Elektor legt den Kopf schief und lächelt. Ich hole tief Luft, um mich wieder unter Kontrolle zu bekommen. Gott sei Dank ist es mir trotzdem gelungen, die gewünschte Reaktion hervorzurufen.
»Haben Sie mal darüber nachgedacht, warum die Republik so nachsichtig mit Ihnen ist, trotz Ihrer Untreue gegenüber dem Staat?«, fragt Anden, der gedankenverloren mit seiner Gabel spielt. »Jeder andere wäre längst hingerichtet worden. Aber Sie nicht.« Er richtet sich in seinem Stuhl auf. »Seit dem Tag, an dem Sie Ihren Großen Test mit vollen fünfzehnhundert Punkten abgeschlossen haben, hat die Republik ein Auge auf Sie. Ich habe von Ihren guten Noten und Ihren Leistungen beim Training an der Drake gehört. Ein paar Kongressabgeordnete hatten Sie schon für eine politische Laufbahn vorgesehen, bevor Sie auch nur Ihr erstes Studienjahr an der Universität beendet hatten. Aber dann wurde doch beschlossen, Sie stattdessen zum Militär zu schicken, weil Sie schlicht und einfach die Persönlichkeit eines Offiziers haben. In eingeweihten Kreisen werden Sie regelrecht als Berühmtheit gehandelt. Sie der Untreue für schuldig zu befinden, wäre ein ungeheurer Verlust für die Republik.«
Kennt Anden die Wahrheit darüber, wie meine Eltern und Metias gestorben sind? Dass ihre Untreue sie das Leben gekostet hat? Bin ich der Republik so viel wert, dass sie mich trotz meiner Vergehen und meiner abtrünnigen Familie nicht hinrichten wollen?
»Sie sind ja ziemlich gut über mein Studium an der Drake informiert«, bemerke ich. »Waren Sie dort mal zu Besuch?«
Anden schneidet ein Palmherz auf seinem Teller durch. »Nein, nein. Nicht zu Besuch.«
Ich runzele fragend die Stirn. »Waren … waren Sie zu der Zeit etwa selbst Student an der Drake?«
Anden nickt. »Die Verwaltung hat meine Identität geheim gehalten. Ich war siebzehn, also im zweiten Studienjahr, als Sie mit zwölf Jahren an die Drake gekommen sind. Wir haben immer eine ganze Menge über Sie gehört – und Ihre Eskapaden.« Er grinst und ein verschmitztes Funkeln tritt in seine Augen.
Der Sohn des Elektors war mit mir an der Drake und ich hatte keine Ahnung davon. Die Vorstellung, dass ich damals auf dem Campus die Aufmerksamkeit des künftigen Republikoberhaupts auf mich gezogen habe, erfüllt mich mit Stolz. Sofort bekomme ich ein schlechtes Gewissen, weil ich mich so darüber freue, und schüttele hastig den Kopf. »Tja, ich hoffe, Sie haben nicht nur Schlechtes über mich gehört.«
In Andens linker Wange kommt ein Grübchen zum Vorschein, als er auflacht. Es ist ein beruhigender Laut. »Nein. Nicht nur .«
Jetzt muss selbst ich lächeln. »Meine Noten waren zwar gut, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass die Sekretärin des Dekans froh war, mich nie wieder in ihrem Büro sehen zu müssen.«
»Miss Whitaker?« Anden schüttelt den Kopf. Für einen Moment scheint er jede Etikette zu vergessen, lehnt sich in seinem Stuhl zurück und lässt seine Gabel durch die Luft kreisen. »Ich bin auch mal in ihr Büro zitiert worden, was ziemlich witzig war, weil sie keine Ahnung hatte, wer ich bin. Ich habe Ärger bekommen, weil ich die schweren Übungswaffen in der Trainingshalle gegen Schaumgewehre ausgetauscht hatte.«
»Das waren Sie?«, rufe ich.
Weitere Kostenlose Bücher