Legend - Fallender Himmel
zu, den ich nicht richtig deuten kann. »Er lernt gern hübsche Mädchen kennen.«
Ich sehe sie finster an. »Halt du mal lieber den Mund, Cousine. Bist du dem Tod heute noch nicht knapp genug von der Schippe gesprungen?«
Tess nickt, ein verstohlenes Lächeln im Gesicht. »Ich gehe mal und hole uns ein bisschen Wasser.« Sie springt auf und macht sich auf den Weg durch das offen liegende Treppenhaus zum Seeufer hinunter.
Als sie weg ist, setze ich mich neben das Mädchen und meine Hand streift unbeabsichtigt seine Taille. Sie zuckt kurz zusammen - ich rücke ein Stück von ihr weg, aus Angst, ihr wehgetan zu haben.
»Das verheilt sicher schnell, wenn es sich nicht entzündet. Aber du wirst dich ein paar Tage schonen müssen. Du kannst bei uns bleiben, wenn du willst.«
Sie zuckt mit den Schultern. »Danke. Sobald es mir wieder besser geht, schnappe ich mir diese Kaede.«
Ich lehne mich zurück und betrachte ihr Gesicht. Sie ist ein bisschen blasser als die anderen Mädchen hier im Sektor und hat große, dunkle Augen, in denen im schwindenden Licht kleine Goldpünktchen schimmern. Ihre Herkunft kann ich nicht genau einordnen, aber hier in der Gegend ist das nichts Ungewöhnliches - indianische Wurzeln vielleicht oder indische. Oder irgendwas anderes. Sie ist hübsch auf eine Weise, die mich schon bei dem Skiz-Kampf ganz aus dem Konzept gebracht hat. Nein, hübsch ist eigentlich nicht das richtige Wort. Schön. Und nicht nur das, sie erinnert mich auch an jemanden. Vielleicht liegt das aber auch an dem Ausdruck in ihren Augen, der auf einen kühlen Verstand und gleichzeitig auf einen leidenschaftlichen Dickkopf schließen lässt ... Ich fühle, wie meine Wangen warm werden, und wende mich abrupt ab, dankbar, dass es schon so dunkel ist. Vielleicht hätte ich ihr nicht helfen sollen. Sie verwirrt mich viel zu sehr. In diesem Moment zum Beispiel kann ich nur daran denken, was ich dafür geben würde, sie küssen und mit den Fingern durch ihr Haar streichen zu dürfen.
»Also, Mädchen «, sage ich nach einer Weile, »danke für deine Hilfe heute. Für Tess, meine ich. Wo hast du so kämpfen gelernt? Du hast Kaede den Arm gebrochen, als wäre das gar nichts.«
Sie zögert. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie sie mich mustert. Als ich ihr den Kopf zuwende, tut sie schnell so, als würde sie aufs Wasser hinausblicken, als wäre es ihr peinlich, dass ich sie dabei erwischt habe, wie sie mich ansieht. Gedankenverloren berührt sie ihre Seite und macht dann wie aus Gewohnheit ein Schnalzgeräusch mit der Zunge. »Ich treibe mich öfter in Batalla rum. Ich sehe gern den jungen Kadetten beim Training zu.«
»Wow, ziemlich riskanter Zeitvertreib. Aber dein Kampfstil ist wirklich ganz schön beeindruckend. Ich wette, du gerätst nicht allzu oft in Schwierigkeiten.«
Sie lacht. »Du hast ja heute gesehen, wie gut ich allein zurechtkomme.« Sie schüttelt den Kopf. Ihr langer Pferdeschwanz schwingt hin und her. »Ich hätte mich bei dem Skiz-Kampf überhaupt nicht einmischen sollen, aber deine Freundin sah aus, als könnte sie Hilfe gebrauchen.« Sie sieht mich an. Noch immer liegt dieser wachsame Ausdruck in ihren Augen. »Aber was ist eigentlich mit dir? Warst du auch im Publikum?«
»Nein. Tess war da unten, weil sie sich die Kämpfe gern ansieht und ein bisschen kurzsichtig ist. Ich beobachte das Ganze lieber aus der Entfernung.«
»Tess. Ist sie deine kleine Schwester?«
Ich zögere. »Ja, so was Ähnliches. Eigentlich war es Tess, die ich mit meiner Staubbombe in Sicherheit bringen wollte, weißt du.«
Das Mädchen hebt eine Augenbraue. Ich betrachte ihre Lippen, die sich zu einem Lächeln verziehen. »Sehr charmant von dir«, sagt sie. »Und weiß eigentlich jeder hier in der Gegend, wie man eine Staubbombe baut?«
Ich mache eine wegwerfende Handbewegung. »Klar, sogar die Kinder. Das ist ganz einfach.« Ich sehe sie an. »Du bist nicht aus dem Lake-Sektor, oder?«
Sie schüttelt den Kopf. »Tanagashi. Ich meine, da habe ich mal gewohnt.«
»Das ist aber ziemlich weit weg. Bist du den ganzen Weg hergekommen, nur um den Skiz-Kampf zu sehen?«
»Natürlich nicht.« Das Mädchen lässt sich zurücksinken und legt sich vorsichtig hin. Ich kann sehen, dass sich in der Mitte des Verbands ein dunkelroter Fleck gebildet hat. »Ich suche auf der Straße nach Essen. Da kommt man viel rum.«
»Lake ist im Moment nicht der allersicherste Ort«, erwidere ich. Ein türkisfarbener Fleck in einer Ecke des Balkons springt
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