Legenden d. Albae (epub)
Sie berührte die feuchte Farbe, den Maluntergrund, roch daran mit geschlossenen Augen. Das enge, weiße Kleid mit den schwarzen Flammen, die vom Saum nach oben loderten, hob ihre vollendeten Proportionen hervor.
Was wird das, meine Schöne
?
Sinthoras stand unbemerkt von ihr drei Schritte entfernt und konnte nicht glauben, was sie tat. Er war nur kurz aus dem Atelier gegangen, um die Kleidung zu wechseln und seine Rüstung gegen das Malgewand zu tauschen. Den ganzen Tag hatten er und Caphalor mit Unterredungen verbracht, sodass er sich dringend eine Ablenkung verdient hatte.
Timānris hatte er, weil er so beschäftigt gewesen war, eine Nachricht geschickt, dass er ihr Treffen verschieben müsse.
Entweder hat sie die Botschaft nicht erhalten oder mit voller Absicht ignoriert.
Sinthoras grinste. Wie er die Albin einschätzte, hatte sie seinen Zeilen keine Beachtung geschenkt. Sie war neugierig, aufmüpfig und eine Künstlerin wie ihr Vater.
Als sie einen Pinsel aus dem Behälter nahm, ihn in das Blau tauchte und einen kleinen Punkt in die linke untere Ecke setzte, stockte ihm der Atem.
Perfekt
!
Die ganze Zeit über hatte er gegrübelt, was das Gemälde noch benötigte, und Timānris nahm sich die Frechheit heraus, in sein geheiligtes Atelier einzudringen und sein Bild zu verändern. Und es zu vervollkommnen!
Mit schnellen, lautlosen Schritten näherte er sich ihr, stellte sich hinter sie, drehte sie an den Schultern um und küsste sie voller Leidenschaft. Als er sie dicht an sich zog, spürte er, wie sienach dem anfänglichen leichten Schreck ihre Hand in seinen Nacken legte.
Sie verharrten und tauschten Zärtlichkeiten aus, bis er sie losließ und auf das Bild zeigte. »Du hast es in etwas Einzigartiges verwandelt!«, sagte er überschwänglich.
»Hast du mich deshalb so ungewöhnlich willkommen geheißen?«, gab Timānris zurück, noch immer atemlos von den vielen innigen Küssen.
»Nicht nur«, antwortete er und nahm ihr den Pinsel aus der Hand, streifte ihn vorsichtig am Behälter ab und steckte ihn in die Reinigungslösung. »Es trocknet sehr schnell ein. Das Blau, das du benutzt hast, wurde aus der Leber eines weißen Óarco gewonnen. Jede Unze ist zehn Kisten Gold wert.«
Wie überragend sie ist
!
Sinthoras strahlte sie an und musste den Drang unterdrücken, ihr Antlitz zu umfassen und seine Lippen auf ihre zu pressen. Und dann war da der Wunsch, sich mit ihr zu unterhalten, über das Malen, ihre Ansichten zum Krieg zu vernehmen, zur Unsterblichkeit seiner Rasse, zu allem, was er sich vorstellen konnte. Belangloses, Tiefsinniges. Was er fühlte, überstieg die Begierde, die er bislang mit Albinnen in Verbindung gebracht hatte.
Es ist mehr als das Körperliche.
»Der Untergrund ist Óarco-Haut, habe ich recht?« Timānris schluckte und erwiderte seinen Blick, ihre Brust hob und senkte sich rasch, und er glaubte, ihr Herz klopfen zu hören. Nur für ihn. »Eine gute Wahl, wenn es um hohen Farbauftrag geht.«
»Ausgezeichnet beobachtet! Ich arbeite gern nachträglich mit Eisennadeln, mit denen ich die dicken Farbschichten aufbreche und …« Sinthoras versagte die Stimme, er konnte nichts mehr denken, sondern starrte die Albin an. Der Schwindel packte ihn erneut.
Sie schenkte ihm ein Lächeln, berührte seine rechte Wange. »Mit ergeht es ebenso, Nostàroi. Ich habe versucht, es mir nicht anmerken zu lassen, doch schon am ersten Abend, als ich dichsah, wollte ich dich.«
»Weswegen bist du dann gegangen?«
»Robonor. Ich wollte länger als einen halben Teil der Unendlichkeit an seiner Seite bleiben, weil ich es meinem Vater versprach. Er und Robonors Vater sind gute Freunde. Robonor und ich kennen uns aus Kindertagen. Aus zwei Spielgefährten wurden Liebhaber.« Timānris zog die Hand zurück. »Bis ich dich sah, Sinthoras.«
»Ich verstehe.« Sinthoras log, nutzte die Floskel, um ein Schweigen zu vermeiden. Er wusste das Geständnis nicht recht einzuordnen.
Will sie mir damit sagen, dass zwischen uns nichts sein darf oder dass sie Robonor für mich verlässt
?
Sie seufzte und warf sich an seine Brust, hielt sich fest. »Was tun wir nun?«
Sinthoras wollte sie nicht traurig sehen, sie aber auch mit keinem anderen teilen. Er löste sich sanft von ihr und zeigte auf eine leere Leinwand aus Gnomenhaut. »Was hältst du davon, wenn wir gemeinsam ein Gemälde erschaffen?«
»Es wäre mir eine Ehre«, sagte sie unverzüglich und wischte sich die Tränen weg. Dann sah sie an sich herab.
»Warte,
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