Legenden d. Albae (epub)
ich hole dir rasch etwas zum Überziehen.« Er küsste sie noch einmal, und sein Herz raste in seiner Brust.
Ihr Geschmack, ihr Geruch
!
Sie gehörten zusammen, und sie dachte ebenso wie er. Die Augen verrieten sie.
Sinthoras wusste, dass sie sich noch in dieser Nacht, in diesem Atelier lieben würden. Der Auftakt einer langen Beziehung. Das stand für ihn so fest wie der Beinturm der Unauslöschlichen.
Er hastete hinaus und rief nach den Sklaven.
Eine mondklare Nacht hob Dsôns Schönheit hervor.
Und sie gefiel Robonor, der die Straßen mit seinem Wachtrupp durchstreifte, ganz außerordentlich. Der Beinturm erstrahlte auf dem Berg inmitten der Stadt in seinem reinen Weiß, als leuchteten die Knochen der niedergeworfenen Völker von innen heraus. Er war das Symbol für die Überlegenheit der Albae, ihren Stolz und ihre Kunstfertigkeit.
Aber auch an den Fassaden der prunkvollen Gebäude wurden die Skulpturen, Mosaiken, Fresken und Malereien ins rechte Licht gerückt. Manches Kunstwerk trug das Licht in sich, auf raffinierte Weise waren die Lampen darin eingebettet. Vergänglichkeit, Tod, Zerfall, Verwesung und dabei immer noch ansprechend gestaltet – was die Barbaren schrecklich, unheimlich und schaurig nannten, gefiel ihm.
Robonor hatte vergessen, wie spektakulär die Stadt in der Nacht schimmerte. Zu lange schon lebte er in Kashagòn. Auch wenn die Städte dort nicht zu verachten waren, konnte sich keine mit Dsôn messen. Jeder Schritt hier brachte neues Staunen.
Er konnte sich nicht sattsehen, befahl mehr als einmal anzuhalten, damit er in Ruhe schauen durfte. Jetzt stand er vor der Statuengruppe auf dem Kòlsant-Platz. Als Kind hatte er sie geliebt.
Sie zeigte den Kampf einer Albin gegen fünf Óarcos. Die metallenen Figuren waren lebensgroß, jede Kleinigkeit war zu erkennen.
Zwei Dinge machten den besonderen Reiz der Skulpturen aus: Zum einen waren die Muskeln an Armen und Beinen aus Komponenten geschaffen, die sich entgegen dem Verhalten der natürlichen Materialien unter Wärme zusammenzogen und bei Kälte dehnten; zum anderen erlaubten die Gelenke komplexe Bewegungen.
So konnte Robonor verfolgen, wie die Figuren sich in der kühler werdenden Nacht langsam drehten. Die Albin senkte den Arm mit dem Schwert, und die Óarcos sanken zu ihren Füßen nieder.Schien die Sonne darauf, hob sie ihre Waffe, und die Scheusale setzten zu einem neuen Angriff an. Je heißer es wurde, desto dramatischer verlief der Kampf.
Robonor nickte der Albin zu.
Wieder siegst du über sie.
Er war den Nostàroi regelrecht dankbar, dass sie Patrouillen angeordnet hatten, solange die Verhandlungen nördlich von Dsôn stattfanden. Keines der Geschöpfe, die dort lagerten, durfte das Land betreten, schon gar nicht den Mittelpunkt des Reiches; falls doch, musste es seinen Verstoß mit dem Leben bezahlen.
»Weiter«, ordnete er an, und die zehn Albae folgten ihm. Sie trugen leichte Rüstungen, dreieckige Schilde, deren Ränder geschliffen waren, und Speere, dazu kurze Schwerter auf den Rücken. Ohne ein Geräusch zu verursachen, liefen sie die Straßen und Gassen entlang.
Ein leichter Wind kam auf, der die Mäntel über den Panzerungen zum Wehen brachte.
Robonor roch den Regen, den er mit sich bringen würde, und er verzog das Gesicht. Bald würde die Ablösung kommen, und das hoffentlich vor dem nächsten Guss. »Das Wetter ist nichts für mich«, sagte er zu seinen Soldaten, und sie lachten leise.
»Wessen Wetter sollte das sein?«, gab einer zurück.
»Mir macht es nichts«, antwortete ein Zweiter.
»Dann«, erwiderte Robonor, »werde ich dich für die Ablösung empfehlen. Einer von den anderen armen Kerlen wird die warme Stube sicherlich dem Regen vorziehen.« Er schauderte. Plötzlich fühlte er sich unwohl, sah sich um.
Verfolgt uns jemand
?
Außer ihnen war niemand in der schmalen Gasse unterwegs.
Er hob den Kopf und sah an den kantigen, in sich gedrehten Wänden vorbei zu den Dächern hinauf. Ganz oben standen steinerne Ornamentblöcke. Vergebens wartete er darauf, einen Schemen vor dem hellen Mond auszumachen, der schuld an seinem schlechten Gefühl war.
»Ist etwas?«
»Nein, ich denke nicht«, erwiderte er auf die Frage des Soldaten und blickte nach vorne. »Kehren wir in die Garderei zurück. Bis wir dort sind, ist es Zeit für den Wechsel.«
Langsam, um nicht zu früh zu kommen, marschierten sie zu dem Gebäude, in dem sie stationiert waren.
Ein lauter, schriller Schrei erklang.
»Das kam von rechts!«
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