Legenden d. Albae (epub)
ergossen.
Eines galt als sicher: Die Gegend war von allem Lebendigen verlassen.
Weder Menschen noch Scheusale oder Tiere begegneten ihm unterwegs. Sinthoras kam der Umstand gelegen, schließlich musste er sich nicht mit Kämpfen aufhalten. Dennoch fand er es ungewöhnlich, dass auf der breiten Straße, auf der er sich bewegte, niemand zu sehen war.
Die Götter scheinen diese Gegend zu ihrem Vergnügen geschaffen zu haben. Und für Künstler.
Der Alb entdeckte keine Städte oder Dörfer, ja nicht einmal ein versprengtes Gehöft oder ein Nomadenzelt, was eine Rast wesentlich angenehmer gestaltet hätte. Bald ließ er die Felsnadeln hinter sich. Gegen Abend ritt er staunend durch ausgetrocknete, schmale Flussbette und kam sich vor, als bewege er sich durch die Adern eines riesenhaften Wesens. Die Wände schlossen und öffneten sich über ihm, der Untergrund war durch das Wasser glatt gescheuert worden.
Sinthoras kam nicht umhin, einen Handschuh auszuziehen und den Fels zu berühren: Er war glatt wie polierter Marmor, was dem Pferd enorme Schwierigkeiten bereitete. Für jeden Fehltritt, den es tat und ins Rutschen geriet, bekam es einen Schlag mit den langen Zügelenden gegen die Nüstern. Nach vierzehn dieser schmerzhaften Lektionen hatte das Tier gelernt, aber er war immer noch nicht zufrieden. »Lahme Kreatur! Was gäbe ich für einen Nachtmahr an deiner Stelle.«
Er wünschte sich mehr Zeit zum Rasten. Zum Malen. Solche Motive hätte niemand sonst im Sternenreich vorzuweisen. Doch er musste den Dämon erreichen, ehe das Gift seine Wirkung entfaltete. Er glaubte fest daran, dass er danach noch Gelegenheiten genug hätte, die Schönheit der Landschaft in Ruhe zu betrachten.
Ich gebe nicht so leicht auf wie Caphalor.
Als er die Flussbette verließ, führte der Weg noch steiler aufwärts. Rechts und links von ihm breiteten sich Schneeflächenaus, ein Wald erhob sich in einer schmalen Schlucht, die spitzen, kahlen Äste der Baumkronen ragten hervor wie dürre, flehend gereckte Arme. Sinthoras verliebte sich in den Anblick, sog ihn in sich auf. Ein weiteres Motiv, das er auf Leinwand bannen musste.
Noch immer reiste er durch vollkommene Einsamkeit.
Es musste einen triftigen Grund geben, weshalb nichts in diesem Gebirge auf Dauer leben wollte. Doch er war nicht begierig, auf den Grund dafür zu stoßen. Nicht aus Feigheit, sondern aus Zeitersparnis. Für ein Gefecht gegen Abschaum und Barbaren war er immer zu haben; er liebte es, mit ihnen zu spielen, bevor sie schnell oder langsam starben. Die Geschwindigkeit, mit der sie der Tod ereilte und seinen Namen trug, hing von seiner Laune ab. Doch ein Kampf gegen das, was immer den Landstrich entvölkert hatte, würde sich gewiss nicht schnell bewerkstelligen lassen.
Die Erfahrung mit dem Gålran Zhadar hatte Sinthoras vorsichtig werden lassen. Magier und magisch Begabte mussten rasch getötet werden. Er war beinahe bereit, darauf zu wetten, dass Magie hier alles Lebendige vertrieben hatte, auch wenn er selbst nichts davon spürte.
Die Schritte des Pferdes verloren ihren Rhythmus und wurden unrund, seine Kräfte schwanden.
»Stürze, und du wirst im Fallen sterben«, versprach der Alb dem Tier und sah einen Felsvorsprung, wo er es hinlenkte. Dort gab er ihm etwas Moos und Flechten zu fressen, die er vom Stein kratzte, und legte sich unter seine Decke. Das Pferd schnaubte und schnupperte daran, rührte es jedoch nicht an. Es zitterte, der Schweiß fror auf seinem Fell.
Schlaf fand Sinthoras keinen. Ihm war schrecklich kalt, der Wind rauschte um die Gipfel und trieb den Schnee in die kleinste Spalte. So sehr er sich zusammenkauerte, die Flocken fanden ihn und rieselten auf ihn nieder. Dagegen halfen seine Kräfte nicht.
Entkomme ich nicht bald aus diesem Eisloch und finde einen Weg in eine tiefere, wärmere Gegend, werde ich noch erfrieren.
Das Pferd gab einen klagenden Laut von sich und brach zusammen. Die Strapazen des gnadenlosen Ritts hatten ihren Tribut gefordert.
Das erspart mir, dich töten zu müssen.
Sinthoras erhob sich. »O Samusin! O Tion!«, rief er und reckte die Arme gegen den Himmel. »Sendet mir ein Zeichen. Etwas, das mich Hoffnung schöpfen lässt, meine Mission zu erfüllen!«
Die Götter schwiegen.
Er sah zu den blinden Augen des Pferdes, sein Blick schweifte über das Fell, auf dem der Schweiß zu einer Kristallschicht gefroren war. Mit dem glitzernden, diamantartigen Überzug sah es viel besser aus.
Bald würde es ihm wohl ebenso ergehen. Er
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