Legionare
weiter.
Zunächst schien das Vorwärtskommen leichter zu werden, doch nach einiger Zeit forderte der unaufhörliche Wind seinen Tribut: Dars Körper wurde nicht warm. Sie war gründlich ausgekühlt, als sie auf die verlassenen Häuser stießen. Ihre Dächer waren längst zerfallen; sie waren kaum mehr als flache, von eingestürzten Mauern umgebene Gruben. Dass es orkische Bauten waren, erkannte man an ihrem runden Grundriss. Nahebei standen Reihen steinerner Windbrecher, die einst Gärten geschützt hatten, die jetzt nur noch Wiesen waren. Beim Anblick dieser Ruinen bedauerte Dar die Orks, die einst hier gelebt hatten.
Am Mittag drang die Gruppe am gegenüberliegenden Höhenzug in eine gewundene Schlucht vor. Der felsige Untergrund erwies sich als schlüpfrig. Erst spät erklommen Dar und die Orks einen höheren Gipfel, der einen weiträumigen Ausblick auf das Land jenseits des Höhenzugs bot. Im Norden lag eine Kette schneebedeckter Bergspitzen. Das Gebiet zwischen ihrem jetzigen Standort und der fernen Bergkette wirkte kaum weniger gebirgig: eine endlose Abfolge von Hügeln und Tälern, die Dar an eine löchrige Landstraße erinnerte.
Sie wandte sich an Zna-yat. »Leben da noch Urkzimmuthi? «
»Davon hab’ ich noch nie gehört.«
Seine Antwort überraschte Dar nicht, denn das zerklüftete Gelände wirkte genauso trist wie das Tal, das sie gerade verlassen hatten. Da und dort erspähte sie einen Flecken Grün. Aber bloßer Fels herrschte vor.
Dar konnte die Enttäuschung der Orks nachvollziehen, als sie das erste Mal diese Gegend erblickt hatten. Es war eine düstere Landschaft, und die Aussichten ihrer eigenen Gruppe waren wahrscheinlich ebenso düster.
Sogar Wölfe können verhungern, dachte Dar.
13
DER WEG HINAB war weder leicht noch ohne weiteres erkennbar, sodass Dar mehrmals, wenn sie an einen Abgrund gerieten, notgedrungen umkehren musste. Die Nacht überfiel die Gruppe hoch oben zwischen gefahrvollen Graten. Auf einem schmalen Felssims scharten sich die Orks zusammen, und Dar teilte die Nahrung aus. Sogar ihre Begleiter machten einen ermüdeten Eindruck. Nach der Mahlzeit schliefen die Orks rasch ein, während sie selbst sich sorgte, ob sie sie in die Irre geführt hatte.
Gegen Abend des nächsten Tages gelangten sie in ein enges, gewundenes Tal. Auch dort konnten nur die zähesten Gewächse gedeihen. Man sah nur raue Gräser, Dornbüsche und kümmerliche Bäumchen. Wiederholt entdeckte man verfallene Häuser, aber die Nutzpflanzen, die man einst dort angebaut hatte, waren ohne die erforderliche Pflege eingegangen.
Nicht Dar bestimmte den Weg, sondern das Gelände. Hohe Kämme schränkten ihre Bewegungsfreiheit ein und nötigten sie öfter, eine falsche Richtung einzuschlagen. Die andere Wahl wäre gewesen, sie zu überklettern und in ein anderes,
ebenso verwinkeltes Tal zu wechseln. In solch irrgartengleichen Gefilden ließ sich unmöglich feststellen, wie gut oder schlecht man überhaupt vorankam. Die Orks wurden verschlossen und stapften stumm dahin. Je mehr Kälte, Hunger und Mattigkeit Dar erschöpften, umso stärker wurden ihre Bedenken. Das Schweigen der Orks empfand sie als Anzeichen, dass auch sie Zweifel hegten.
Dieser Marsch war meine Idee, dachte sie. Ich habe ihnen versprochen, sie nach Hause zu bringen. Jetzt bereute sie ihre voreilige Zusage.
Nach zwei Tagen des Umherwanderns durchs Gewirr der Täler sank Dars Gemütsverfassung auf einen neuen Tiefpunkt. Bei Abendanbruch deutete sie auf eine Hausruine, deren Trümmer Muth’las Umarmung noch erkennen ließen. »Dort rasten wir.«
Wortlos betraten die Orks die Ruine. Dar öffnete den Proviantsack. Lediglich fünf Pashi-Wurzeln hatten sie noch übrig. »Essen ist Muth’las Geschenk«, sagte Dar.
»Shashav, Muth’la«, antworteten die Orks.
Dar gab Kovok-mah eine Wurzel. »Muth’la schenkt dir diese Nahrung.« Als sie den Satz sprach, hatte sie das Gefühl, Muth’las letztes Geschenk auszuhändigen. Eine Träne rann über ihre eisige Wange. Sie wischte sie fort und verteilte auch die restlichen Wurzeln. Dann stand sie auf und ging mit leeren Händen hinaus in die Finsternis. Sie hatte kein Ziel, und es war ihr einerlei, wohin sie tappte, wenn bloß die Orks ihre Tränen nicht sahen.
Vor sich erspähte sie einen Schutthaufen. Dar stieg darüber hinweg und hockte sich nieder. Während ihre Tränen lautlos flossen, hörte sie, dass sich jemand näherte. Sie trocknete ihre Augen. Kovok-mah kam zu ihrem Versteck.
»Geh weg«,
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