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Legionare

Legionare

Titel: Legionare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howell Morgan
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an die Vergangenheit und stellte sich die Zukunft vor. Irgendwann döste sie ein und träumte. Sie wachte auf und wartete auf irgendwelche Ereignisse. Aber nichts geschah.
    Dar verspürte das Bedürfnis, sich zu erleichtern, hatte jedoch Sorge, damit an heiliger Stätte etwas Ungehöriges zu tun. Ich muss Geduld haben, ermahnte sie sich. Aber wie lange? Mittlerweile hatte sie schon keine Ahnung mehr, seit wann sie
im Dunkeln hockte. Nach einer Weile wurde der Druck ihrer Blase unerträglich. Dar kroch auf allen vieren durch die Räumlichkeit und hielt in regelmäßigen Abständen an, um die Umgebung abzutasten. Schließlich entdeckte sie ein Loch in der Nähe der Wand. Es hatte den Durchmesser einer Handspanne. Sie betastete es genauer und kam zu dem Schluss, dass es als Abort dienen könnte. Vielleicht musste sie ja lange in dem Gewölbe bleiben.
    Später bekam Dar Durst. Sie tastete umher, bis sie zu der Fußbodenöffnung in der Mitte der Kammer gelangte. Sie beugte sich vor, bis ihre Lippen Flüssigkeit berührten, und trank. Das abgestandene Wasser hatte einen erdigen Nachgeschmack. Dar trank nur wenig, dann kroch sie zur Seite.
    Sie hatte Furcht vor der Öffnung. Sie war im Finstern unsichtbar. Und vielleicht tief. Dar kam der Gedanke, sie könnte hineinfallen und ertrinken. Daraufhin kroch sie durch die Dunkelheit, bis sie an die Wand stieß. Sie drückte sich dagegen, als ginge es um ihr Leben.
    Zeit verstrich. Dar schlief und wachte, trank Wasser und benutzte den Abort. Sie wurde hungrig und schließlich ausgehungert.
    Lange Zeit hindurch – vielleicht Tage, aber Gewissheit hatte sie nicht – dachte sie an kaum etwas anderes als an Essen. Dann schwand der Hunger, und allmählich vergaß sie ihren leeren Leib. Unsichtbar war er ohnedies schon geworden.
    In der undurchdringlichen Finsternis verlor Zeit jede Bedeutung. Der Unterschied zwischen Träumen und bewussten Gedanken verschwamm. Endlich glaubte Dar, längst auf dem Dunklen Pfad zu sein, ein Geist auf dem Heimweg zu Karm oder Muth’la. Sie wusste nicht, zu wem. Später schlotterte sie abwechselnd vor Kälte oder brannte von Fieber. Zum Schluss sackte sie zusammen und wurde eins mit der Dunkelheit.

     
    Die Flamme war winzig, für Dar jedoch schien sie gewaltig hell zu sein. Ohne etwas zu empfinden oder zu begreifen, starrte sie hinein. Stimmen ertönten. Dar verstand nichts.
    Hände hoben sie an, bis sie kniete. Jemand setzte ihr eine Schale an die Lippen und neigte sie, bis süße weiße Flüssigkeit in ihren Mund floss. Dar schluckte, doch einiges troff ihr auf Kinn und Brust. Sie trank noch etwas mehr. Ihr Kopf wurde klarer, aber sie wäre zusammengesunken, hätten die Hände sie losgelassen.
    Das Flämmchen bewegte sich umher, und plötzlich erschienen weitere kleine Flammen. Die Dunkelheit wich. Dar sah, dass sich Mütter im Gewölbe aufhielten. Sie sangen, doch Dar war noch zu benommen, um die Worte zu verstehen. Eine Mutter trat vor und stellte sich über die Fußbodenöffnung. Sie raffte ihre Neva bis zur Hüfte hoch und ging in die Hocke. Eine andere Mutter schnitt ihr mit einer Klinge in die Schenkel. Blutige Einschnitte erschienen, die im trüben Licht schwarz wirkten. Blut tropfte ins Wasser.
    Dar wurde hochgehoben. Ihre Füße senkten sich ins blutige Nass. Dann wurde sie langsam eingetaucht.
    Dar blieb reglos und stumm, beobachtete passiv, wie das Wasser überfloss und sich auf dem Steinboden ausbreitete. Als es ihre Hüfte erreichte, befand sie sich Auge in Auge mit der über der Öffnung hockenden Mutter. Ihr Gesicht kam Dar bekannt vor. Da ließen die Hände sie los, und sie versank im Wasser.
    Es war warm wie Blut. Weil sie zu schwach zum Zappeln war, ging Dar einfach unter. Sie schien endlos lange zu sinken. Sie schaute aufwärts. Fern oben flackerten kleine Flammen. Das Wasser färbte ihr Licht rot. Schnell schmerzte Dars Lunge. Sie atmete ein. Wasser füllte sie und löste sie auf.

     
    Dar merkte, dass jemand sie in den Armen hielt. Sie schlug die Augen auf und erblickte Zor-yat. Statt der Flämmchen brannten jetzt Fackeln, die das Gewölbe hell erleuchteten. Mütter und Zor-yat umringten sie, wischten rosa Flüssigkeit von Dars Körper.
    »Sie hat die Augen aufgemacht«, sagte Zor-yat zu den versammelten Müttern. »Dargu-yat«, säuselte sie, »ich bin deine Muthuri.« Ein weißes Tuch wurde Zor-yat gereicht, und sie wickelte Dar hinein. Dann hob sie sie mühelos hoch. »Sie ist mein neues Kind«, sagte Zor-yat mit lauter

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