Legionare
Kath-mah und ihr Gatte mit Dar und Nir-yat in ihre Wohnkammer zurück. Tante und Onkel brannten auf Neuigkeiten, vor allem bezüglich Dars Wiedergeburt. Javak-yat freute es offensichtlich, eine neue Nichte zu haben, Kath-mah hingegen nahm keine eindeutige Haltung ein. »Deine Schwestern stehen offenkundig in Muth’las Gunst«, meinte sie zu ihrem Gatten. »Zeta-yat ist Königin geworden, Zoy-yat Matriarchin. Und Zor-yat, die schon Muthuri von fünf Töchtern ist, hat eine weitere Tochter bekommen.«
»Muth’la erweist auch dir Gunst, Mutter«, sagte Dar. »Nur wenige Söhne haben den Krieg überlebt, aber dein Sohn blieb verschont.«
Kath-mah schnaubte. »Verschont? Es ist kaum ein Unterschied. Ich sehe ihn nie.«
»Auch seinen Bruder sehen wir selten«, sagte Javak-yat zu seiner Gattin. »Deshalb ist er uns aber nicht verloren.«
»Kadat wohnt auf dem Sitz seiner Gemahlin«, entgegnete Kath-mah. »Er hat schon eine Tochter. Kovok haust mit Ziegen zusammen.«
»Krieg ist schrecklich«, sagte Dar. »Auch wenn Söhne überleben, kann ihr Geist verwundet sein. Lass ihm Zeit zum Genesen.«
»Dargu-yat, du warst mit unserem Sohn im Krieg«, sagte Javak-yat. »Möchtest du uns davon erzählen?«
Dars Gefühle drohten sie zu überwältigen. Sie verspürte den Drang, vor Kovok-mahs Eltern offen zu bekennen, wie sie zu ihm stand, doch sie wagte es nicht. Stattdessen stotterte sie etwas über seine Tapferkeit, bis Nir-yat sie unterbrach. »Der Krieg war auch schrecklich für meine Schwester. Darüber zu reden, ist schmerzlich für sie.«
»Verzeih mir, Dargu-yat«, bat Javak-yat. »Mir war nicht klar, was ich dir zumute.«
Dar nickte höflich. »Du bist so gütig wie dein Sohn.«
Kath-mah warf ihr einen verdutzten Blick zu. Dann setzte sie eine gereizte Miene auf. »Der Krieg mag dir Leid beschert haben, Dargu-yat, doch immerhin bist du dadurch zur Urkzimmuthi geworden. Kovok hingegen ist zur Ziege geworden. «
Am Morgen darauf ging Javak-yat zum Käsemachen außer Haus. Kath-mah blieb im Hanmuthi, um ein Samuth zu veranstalten.
Dar zergliederte das Wort in »sehen« und »Mutter« und verstand dadurch vollauf den Zweck eines Samuth. Hoffnungsvoll kamen ungesegnete Söhne zu Besuch, um sich vorzustellen, zu schäkern und bei einer ungesegneten Mutter möglichst einen günstigen Eindruck zu hinterlassen. Nir-yat war schon oft bei einem Samuth zugegen gewesen und kannte sämtliche Söhne, die an diesem Tag kamen. Sie war geradezu in ihrem Element, fühlte sich rundum wohl und behielt alles im Griff. Dar empfand sie als verspielt, geistreich und bisweilen ziemlich verdorben.
Ohne Dars Anwesenheit hätten sich ausschließlich Nir-yats Lieblinge eingestellt, doch hatte sich herumgesprochen, dass eine neue ungesegnete Mutter am Samuth teilnahm. Darum fand sich fast jeder ungesegnete Sohn sämtlicher benachbarten Siedlungen ein. Bei jedem löste Dar das Gleiche aus – erst Neugier, dann Enttäuschung. Die Begegnungen fielen gelegentlich etwas unschön für Dar aus, da Orks unter peinlichen Umständen keine höflichen Ausreden gebrauchten. Viele Söhne hielten Dar für interessant, aber hässlich, und sie zeigten es, manche deutlich, manche zurückhaltender. Das Samuth dauerte vom Mittagessen bis zum Spätnachmittag. Die ganze Zeit hindurch sehnte Dar sich nach Kovok-mah, gleichzeitig jedoch fürchtete sie sein Erscheinen. Aber er blieb fern.
»Ein erstes Samuth ist immer schwierig«, flüsterte Nir-yat Dar zu, nachdem sich der letzte Gast verabschiedet hatte. »Alle Söhne sind da. Nächstes Mal kommen nur die Söhne, denen man gefällt.«
»Dann wird mich niemand besuchen«, gab Dar ebenso leise zur Antwort.
»So etwas darfst du nicht denken. Söhne achten auf mehr als auf Äußerlichkeiten. Jvar-yat ist so hässlich wie eine Ziege, aber trotzdem gesegnet.
Dar schmunzelte, aber fragte sich, ob Nir-yat mit voller Absicht eine Ziege erwähnt hatte.
Dar und Nir-yat reisten am folgenden Morgen in Begleitung zweier Mütter ab, die dem Sitz der Yat-Sippe einen Besuch abstatten wollten. Die beiden Begleiterinnen rieten Dar ab, Kovok-mah ein zweites Mal zu besuchen, da sonst Kath-mah Wind davon bekommen könnte. Dar fürchtete jetzt schon, dass Kovok-mahs Muthuri ein Hindernis für ihr Glück werden konnte. Diese Sorge vertiefte ihren Kummer über die Abreise.
Das Wetter spiegelte Dars Stimmung wider. Feuchter Nebel trübte die Landstraße und verschleierte die Berge. Am späten Vormittag setzte kühler
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