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Legionen des Todes: Roman

Legionen des Todes: Roman

Titel: Legionen des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McBride
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seine Füße übereinander, und Phoenix musste die Augen schließen, denn er wusste genau, was jetzt folgen würde.
    Zack!

VI
     
    DER PFAD DES BLUTES
     
    Jill schrie, doch obwohl ihr Mund so nahe an Mares Ohr war, hörte er den Schrei nicht, denn ihre Stimme wurde einfach fortgerissen vom Fahrtwind und dem Dröhnen der Motoren. Flackernd wie ein alter Filmprojektor blitzte Missys Scheinwerfer vor ihnen auf, während er sich durch den Irrgarten aus den verbrannten Bäumen schlängelte, die noch standen. Sie holten allmählich auf, aber Mare drückte zu sehr aufs Gas. In jeder Kurve brach das Hinterrad ein Stückchen weiter aus, jeder größere Stein, jedes Schlagloch drohte sie von der Strecke zu katapultieren. An jeder Bodenwelle hoben sie ab, und die harte Landung danach stauchte die Federbeine derart zusammen, dass die Maschine beim Ausfedern gleich noch einen Satz machte. Jill hatte Panik, dass sie jeden Moment stürzen würden. Sie sah sich schon mit gebrochenem Rückgrat und blutigen Knochenenden, die aus ihrer Haut ragten, um einen Baumstumpf gewickelt in der Asche liegen. Hatten sie es so weit geschafft, nur um dann bei einem Motorradsturz ums Leben zu kommen? …
    Missys Bike jagte über eine kleine Bodenwelle und segelte durch die Luft. Jill vergrub ihr Gesicht zwischen Mares Schulterblättern – in wenigen Sekunden würde es ihnen genauso ergehen. Wimmernd krallte sie sich fest, biss die Zähne zusammen und schloss die Augen, während sie von infernalischem Lärm begleitet weiterjagten. Dann schlug die Vorderradfederung durch, und sie hoben ab. Jill spürte, wie sie schwebte, ihr Magen kribbelte, doch da war noch etwas anderes, dieses vertraute Gefühl, aus ihrem Körper gerissen und in eine andere Welt katapultiert zu werden, in der sie nicht mehr an ihre physische Existenz gebunden war. Noch bevor die Reifen wieder Bodenkontakt hatten, befand sich ihr Geist an einem vollkommen anderen Ort.
    »Du musst es ihm sagen«, kam eine vertraute Stimme aus der Dunkelheit.
    Jill wusste nicht, wo sie war, bis sie ihre Augen öffnete und sich langsam an die Dunkelheit gewöhnte. Sie saß in dem obersten Raum des Pueblos, der sanft vom flackernden Lichtschein einer Fackel erhellt wurde, die irgendwo hinter der Dachluke brannte. Vor ihr saß das Skelett ihrer Vorfahrin, die kantigen Knochen leicht geglättet durch die geisterhafte Projektion ihres einstigen physischen Körpers, einer durchsichtigen Schicht Leben über dem Tod. Die dunklen Augen verschmolzen mit den Schatten in den leeren Höhlen, und ihre durchsichtigen Lippen bewegten sich über auf alle Zeiten gebleckten Zähnen. Selbst aus dem Grab verströmte sie eine pulsierende goldene Aura der Lebendigkeit.
    »Ich kann es nicht«, sagte Jill.
    »Du musst.«
    »Ich kann mir nicht einmal sicher sein.«
    Die Lippen über diesen schrecklichen Zähnen lächelten, doch das Lächeln verströmte keine Leichtigkeit, sondern nur eine Mischung aus Geduld und Mitleid.
    »Willst du mir sagen, dass du nicht bereits spüren kannst, wie sie in dir wächst?«
    Jill erwiderte nichts. Sie konnte nicht einmal den Blickkontakt aufrechterhalten. Nach einem Moment bedrückenden Schweigens nickte sie.
    »Dann musst du es ihm sagen. Jetzt. Er muss es jetzt wissen, Liebes.«
    »Ich will ihn nicht verlieren«, wimmerte Jill. »Ich liebe ihn.«
    Diesmal war das Lächeln des Gespensts echt.
    »Natürlich tust du das, und er liebt dich auch. Und deshalb musst du es ihm sagen.«
    »Aber wenn ich es ihm sage …«, begann Jill und wusste, dass sie unweigerlich weinen würde, wenn sie die Worte zu Ende sprach. »Wenn ich es tue … wird er sterben.«
    »Wenn du es nicht tust, werdet ihr alle sterben.«
    »Woher willst du das wissen?«
    Das Lächeln wurde ungeduldig. Falten der Besorgnis überzogen den Schädel wie ein Spinnennetz.
    »Du musst es ihm jetzt sagen«, wiederholte die Stimme, während sich die Dunkelheit wieder um Jill schloss und sie aus ihrer Fantasiewelt zurückholte.
    Jill öffnete die Augen und war bestürzt, wie locker ihr Griff um Mares Hüfte geworden war. Mit seiner Rechten hielt er ihr Handgelenk fest umklammert, und das Motorrad schlingerte, während er versuchte, mit nur einer Hand am Lenker zu fahren. Er schrie immer wieder ihren Namen, und sein Griff an ihrem Handgelenk wurde so fest, dass Jill fürchtete, die Knöchel könnten brechen. Ihr Kopf war vornübergesunken und befand sich jetzt unterhalb von Mares rechtem Schulterblatt. Ihr Hintern drohte jeden Moment

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