Legionen des Todes: Roman
über das Ende der Sitzbank zu rutschen.
Ruckartig richtete Jill sich auf und zog sich nach vorn, und beinahe hätten ihre Bewegungen das ganze Motorrad aus dem Gleichgewicht gebracht. Mare ließ wieder los, als er ihre Arme um seine Hüften spürte, und drehte sich alle paar Sekunden nach ihr um, um zu sehen, ob es ihr auch wirklich gut ging.
Die Landschaft hatte sich dramatisch verändert seit ihrem Black-out. Sie waren nicht mehr umgeben von abgebrannten Baumstümpfen, sondern von aschebedeckten Schutthaufen, von dem bisschen, das von den über ihren Fundamenten eingestürzten Häusern noch übrig war, von Lagerhäusern und Bürogebäuden, deren Betonplatten wie Spielkarten flach auf dem Boden lagen, von verkohlten Bauholzlatten, die in seltsamen Winkeln in die Höhe ragten wie die Stacheln eines toten Igels. Der unbefestigte Weg war jetzt eine Straße aus aufgesprungenem Asphalt, ein Unkraut, das sie noch nie gesehen hatte, drängte in kleinen Büscheln aus den Rissen unter der Ascheschicht hervor. Vor ihnen leuchtete Missys Rücklicht rot auf, als sie stehen blieb und die traurigen Überreste zu beiden Seiten des Highways begutachtete.
Die Sonne erhob sich endlich am Himmel und schob mit rötlich-rosafarbenen Armen die Nacht beiseite, während der unheimliche orangefarbene Lichtschein hinter dem nächsten Hügel immer heller erstrahlte.
»Ich bin schwanger«, brüllte Jill, konnte jedoch an Mares Reaktion ablesen, dass er sie nicht gehört hatte. Mit Sicherheit hätte er zumindest irgendeine Form von Antwort gegeben. Sie beugte sich näher an sein rechtes Ohr und stützte ihr Kinn auf seine Schulter. »Mare!«
Er drehte den Kopf in ihre Richtung, verwirrt von ihrer lauten Stimme, und knallte mit dem Wangenknochen gegen ihre Stirn.
»Ich muss dir etwas sagen!«, schrie sie.
»Was?« Seine Augen schossen zwischen ihrem Gesicht und der Straße hin und her.
Jill zögerte, ihr Mut begann sie zu verlassen. Was, wenn er ausflippte? Was, wenn er wütend wurde? Was, wenn …? »Ich bin schwanger!«, schrie sie schließlich noch einmal, bevor ihr Mut sie vollkommen im Stich ließ.
Mares Lider schossen nach oben, und seine Augen schienen aus den Höhlen treten zu wollen. Das Motorrad geriet ins Schlingern und drohte unter ihnen wegzurutschen. Er musste eine Vollbremsung machen, um nicht die Kontrolle zu verlieren. Das Hinterrad blockierte und zog einen wackeligen Strich auf den Asphalt. Mare rammte beide Füße auf den Boden, um sich abzustützen, dann drehte er sich zu ihr um.
Jill konnte den Ausdruck auf seinem Gesicht nicht deuten. Er war noch so jung, Oberlippe und Kinn von zartem, hellem Flaum bedeckt. Seine Lippen öffneten sich, doch es kam kein Laut hervor. Ein Ausdruck der Verwirrung breitete sich über sein Gesicht aus, Stirn und Nase legten sich in Falten, die Augen wurden zu schmalen Schlitzen, und er öffnete seinen Mund noch weiter, fand aber immer noch keine Worte.
»Hast du mich gehört?«, fragte sie und senkte die Augen, in denen sich Tränen zu sammeln begannen.
»Ich könnte schwören, du hast gesagt …« Doch er verstummte, als die anderen von hinten herankamen. »Hast du gesagt …?«
Jill nickte. Als sie ihn wieder anblickte, liefen Tränen über ihre Wangen.
»Was ist los?«, fragte Adam, der mit tuckerndem Motor neben Mare stand.
»Bitte«, erwiderte Mare, »lass meine Schwester nicht aus den Augen. Wir kommen gleich nach.«
Adam blickte Mare fragend an und wartete noch einen Moment lang auf eine Erklärung, während Missys Rücklicht vor ihnen bereits wieder kleiner wurde.
»Lasst euch nicht zu lange Zeit«, sagte Adam noch, dann jagte er davon, bevor Missy ganz verschwunden war, so abrupt, dass Ray beinahe hinter ihm von der Sitzbank gerutscht wäre. Jake hielt sich an Evelyn fest, dann gab auch sie Gas.
»Wir beeilen uns besser, damit wir sie nicht verlieren«, sagte Mare, der Ausdruck auf seinem Gesicht immer noch rätselhaft.
»Hast du nichts zu sagen?«, fragte Jill, die sich bemühen musste, ihre Stimmbänder unter Kontrolle zu halten.
Mare drehte sich um und schaute mit dem Rücken zu ihr die Straße hinunter. »Mein Vater war ein prügelnder Säufer.«
Jill wartete, dass er weiterredete. Schließlich ergriff sie wieder das Wort, als ihr klarwurde, dass er es nicht tun würde. Es gab so vieles, das sie sagen wollte, aber sie hatten so gut wie keine Zeit mehr. Sie wollte ihm versichern, dass er niemals so enden würde wie sein Vater, dass alles funktionieren würde, so
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