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Legionen des Todes: Roman

Legionen des Todes: Roman

Titel: Legionen des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McBride
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animalischen Trieben freien Lauf gelassen. Es verschaffte Phoenix eine gewisse Befriedigung, dass er nicht eingebrochen war. Er konnte Tod nicht sehen, aber er konnte seinen Atem hören. Er hatte nicht einmal mehr genug Kraft, um seinen Blick in die Richtung zu wenden, aus der das Geräusch kam.
    Phoenix seufzte, doch der Ton, der herauskam, war nur ein feuchtes Gurgeln.
    Dunkelheit schloss sich um ihn, drang aus allen Richtungen auf ihn ein. Er wollte seine Augen schließen, um sie willkommen zu heißen, doch seine Lider waren wie festgeklebt. Lange, dünne Beine, die nicht mehr aussahen, als gehörten sie zu seinem Körper, baumelten unter ihm. Die knorrigen Kniegelenke waren gebeugt, die Füße standen übereinander, von einem stählernen Nagel durchstoßen. Der rußgeschwärzte Untergrund erstrahlte im Licht des Sonnenaufgangs, das sich in einer riesigen Blutlache unter ihm spiegelte.
    Sanft umfing ihn die Dunkelheit. Phoenix sah, wie Missy ihre Arme ausbreitete und ihn an ihre Brust zog. Er spürte das Lächeln, das von ihrem Gesicht auf das seine übersprang, spürte die Wärme in ihrem Blick. Dahinter sah er ein Licht, das an ihm zog, immer stärker zog es ihn in Missy hinein und durch sie hindurch …
    »Noch nicht!«, brüllte Tod und riss seinen Kopf hoch, seine Klauen in Phoenix’ Wangen gebohrt. Doch die Wunden bluteten nicht einmal mehr.
    Phoenix sah, wie rote Augen wütend vor ihm aufblitzten, darunter zwei Reihen von langen, spitzen Zähnen, dann war das Bild wieder verschwunden.
    »Nein!« Tod zerfetzte Phoenix’ welkes Fleisch, legte Kiefer und Luftröhre frei. Wieder und wieder hob er seine Arme und schlug zu, riss ganze Fetzen von Muskeln heraus, bis die nackten Rippen herausstanden, doch Phoenix’ Körper wurde nur noch schlaffer. »Das darfst du nicht! Dies ist unsere Schlacht! Du kannst nicht …«
    Die Schreie wurden zu einem Flüstern und dann zum Geräusch des Windes, der Phoenix davontrug. Die Welt unter ihm wurde immer kleiner, während er auf Schwingen aus Wolken emporstieg, angezogen von einem Licht, das noch heller erstrahlte als die Sonne.

BUCH ACHT
     

I
     
    IN DEN RUINEN VON DENVER, COLORADO
     
    Trotz des blendenden Lichtscheins der hinter dem Turm aufgehenden Sonne starrte Missy wie gebannt auf die Ruine, die am Horizont aufragte. Sie hatte nicht den geringsten Zweifel, dass Phoenix bereits dort war. Ihr Gesicht nass von Tränen, schrie sie auf vor Hilflosigkeit. Sie kam zu spät. Jeder Knochen in ihrem Körper schmerzte. Zitternd versuchte ihr Brustkorb, die kurzen, abgehackten Atemzüge in sich hineinzusaugen, um nicht zu hyperventilieren und die drohende Panikattacke doch noch abzuwenden. Nur Sekunden zuvor war ein überwältigender Schmerz über sie hereingebrochen, ein Schlag, den sie am ganzen Körper gespürt hatte, als wäre sie gegen eine Ziegelmauer gerast, der sie beinahe von der Sitzbank gefegt hätte. Sie wusste sofort, was diesen Schmerz verursacht hatte, doch sie weigerte sich, es zu akzeptieren, wehrte sich gegen das Gefühl, einfach zerschmettert zu werden wie eine Porzellanpuppe.
    Ich habe dir mein Herz geschenkt , flüsterte Phoenix’ Stimme in ihrem Kopf.
    Und genau das war es, was sie gespürt hatte: Es war zerbrochen.
    Wieder schrie sie, fuhr nur von ihrem Instinkt geleitet durch den Slalomparcours aus Autowracks. Mit tränenverschmierten Augen fuhr sie, so schnell sie es nur wagte, auf den einen letzten Wolkenkratzer zu, der noch stand, beobachtete ungeduldig, wie er viel zu langsam größer wurde. Es gab nichts, was sie tun konnte. Ihr blieb nichts anderes übrig, als zu akzeptieren, dass die einzige Liebe ihres kurzen Lebens tot war, doch wäre sie eher selbst gestorben, als den winzigen Hoffnungsschimmer aufzugeben, an den sie sich klammerte, ganz egal wie irrational ihr Verhalten auch sein mochte.
    Sie wurde derart magisch von dem Turm angezogen, dass sie das seltsame orangefarbene Glühen zwischen all dem Schutt und den toten Bäumen nicht bemerkte. Ihr Geist war abgelenkt, und sie ignorierte den Rauchgeruch und die immer dicker werdenden Schwaden, bis sie sich bis auf die Straße vor ihr ausbreiteten und ihr die Sicht nahmen. Der Rauch war allgegenwärtig. Wie das Feuer. Wie der Tod. Ihr Unterbewusstsein hatte sich so sehr daran gewöhnt, dass es erst Alarm schlug, als es bereits zu spät war.
    Ein Strahl glühender Lava ergoss sich über den Highway vor ihr, wie ein Regenbogen aus noch feuchter Farbe hing er einen Moment lang am Himmel, dann

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