Legionen des Todes: Roman
streckten ihre sechs Beine, drei an jeder Seite des Rumpfes, und unter der Schleimschicht über ihren Facettenaugen kamen glänzend schwarze, kugelförmige Sehorgane zum Vorschein. Ein leises Summen erhob sich in seiner Hand, und dann überall um ihn herum.
Einer nach dem anderen rollten sie sich aus und streckten sich, verließen ihre ehemalige Hülle. Ihre Flügel zitterten kurz, als probierten sie ihre neuen Gliedmaßen aus, dann erhoben sie sich in die Luft.
Braune Flüssigkeit schlug klatschend auf den Boden, als Tod die leeren Chitinpanzer beiseitewarf, dann musterte er die neue Spezies, die direkt vor seinem Gesicht in der Luft schwebte wie ein Schwarm Kolibris. Sie sahen Libellen bemerkenswert ähnlich, nur den langen Hinterleib hielten sie nicht gerade nach hinten ausgestreckt, sondern nach unten eingerollt. Die Nacht erwachte zum Leben. Ihre mit Widerhaken bewehrten Stacheln zuckten hin und her wie nach unten gerichtete Skorpionschwänze, zitternd hingen sie in der Luft wie die gespenstische Stroboskopaufnahme eines Schneesturms.
Tods geschuppter Mund verzog sich zur reptilienhaften Karikatur eines Lächelns. Er wandte sich Hunger und Pest zu, beide von Kopf bis Fuß bedeckt mit einer lebenden Schicht dieser neuen Spezies von Gliederfüßern, als versuchten die Tiere, in ihr ehemaliges Heim zurückzukehren. Seine Geschwister wussten, was er von ihnen wollte, und sie hoben ihre Arme in den schwarzen Himmel. Der Insektenschwarm folgte der Bewegung und verdichtete sich zu einem wirbelnden, türkisfarbenen Zyklon, der sich einen Moment lang zu einer dünnen Spindel zusammenzog und dann explodierte. Der schwarze Rauch lichtete sich unter dem Gewitter von Myriaden von Flügelschlägen, und die Kreaturen schossen in alle Richtungen davon.
Tod schritt über den Teppich aus leeren Insektenschalen an den Rand des Daches und beobachtete, wie die winzig kleinen Punkte am westlichen Horizont mit dem Blau der Berggipfel verschmolzen und dann verschwanden. Sobald sie außer Sicht waren, schloss sich der Rauchschleier wieder um sie.
Jetzt musste er nur noch warten, bis seine Beute zu ihm kam. Es waren noch ein paar Vorbereitungen zu treffen, aber bald … bald schon würde der letzte Tropfen menschlichen Blutes in der versengten Erde versickern.
VII
MORMON TEARS
Mare streckte sich, um seine verspannten Muskeln zu lockern, presste seine Hände zu beiden Seiten der Wirbelsäule auf die Schmerzpunkte knapp oberhalb der Hüften. Als er merkte, was er da tat, ließ er seine Arme sofort wieder sinken und richtete sich auf. Er hatte seinen Vater Hunderte Male dabei beobachtet, wie er exakt dasselbe getan hatte, und das Letzte, was er im Moment wollte, war, an seinen alten Herrn erinnert zu werden. Noch viel schlimmer war der Gedanke, so zu werden wie er, und wenn auch nur in einem so scheinbar belanglosen Detail. Mare würde die Schmerzen in seinem erschöpften Körper einfach ertragen müssen.
Soeben hatten sie den letzten Grabstein am Strand aufgestellt, doch es stellte sich keine Befriedigung über die vollendete Arbeit ein, sondern nur noch größeres Unbehagen. Es waren nicht die sechs marmornen Figuren, die vor den Sandhäufchen Wache standen, was ihn so sehr beunruhigte, sondern die beiden anderen, die ganz am Ende der Reihe standen, ohne zugehöriges Grab. Sie waren in genau dem gleichen Abstand aufgestellt wie die anderen sechs, als warteten sie nur darauf, dass auch ihnen die sterblichen Überreste eines Menschen anvertraut wurden. Keiner aus der Gruppe wagte darüber zu sprechen. Alles, was sie taten, schien noch einen verborgenen, zweiten Grund zu haben, also wunderten sie sich auch nicht über acht Grabsteine für sechs Gräber. Dennoch: Keiner wollte daran denken, wer von ihnen bald im Schatten der Christusfigur mit den ausgebreiteten Armen und der Heiligen Mutter mit dem Kind auf ihrem Schoß zur letzten Ruhe gebettet werden würde. Und keiner dachte über die möglichen Gründe nach, weshalb gerade diese Grabsteine ausgewählt worden waren.
»Wo ist Jill?«, fragte Mare plötzlich. Sie war mit nach draußen gegangen, um die Rückkehrer willkommen zu heißen, doch jetzt fiel ihm auf, dass er sie seitdem nicht mehr gesehen hatte.
»Ich … ich weiß es nicht«, erwiderte Adam. Er war vor schierer Erschöpfung einfach zu Boden gesunken. Evelyn saß neben ihm und hielt seine Hand auf ihrem Schoß, ihren Kopf an seine Schulter gelegt. Auch er konnte sich nicht erinnern, wann er Jill das letzte Mal
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