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Legionen des Todes: Roman

Legionen des Todes: Roman

Titel: Legionen des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McBride
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gesehen hatte. Eigentlich hätte er es wissen müssen. Schließlich war er für sie alle verantwortlich, zumindest vor sich selbst.
    Mare sah seine Schwester in der Höhle sitzen, seitlich an den Fels gelehnt, das Gesicht in ihren Händen, als döse sie. Ray und sein Schatten, Jake, waren ebenfalls in der Höhle und teilten sich eine Tüte Cheetos. Phoenix hatte seine Schuhe ausgezogen und stand barfuß im seichten Wasser. Mit glasigen Augen blickte er nach Osten. Das tat er in letzter Zeit immer öfter.
    »Jill!«, brüllte Mare, und alle Blicke richteten sich sofort auf ihn. Adam stand auf und stellte sich neben ihn, während seine Augen den vom Sternenlicht leicht erhellten Strand absuchten. »Jill!«
    Eine ferne Stimme, so leise, dass sie kaum vom Geräusch des Windes zu unterscheiden war, antwortete aus Norden.
    »Gott sei Dank«, keuchte Mare. Er rannte sofort los, vorbei an Phoenix zu seiner Rechten und der Höhle zu seiner Linken, ignorierte die Schmerzen in seinem Rücken und den Schultern. Er vergaß alles um sich herum, bis auf den unsichtbaren Punkt in der Dunkelheit, wo er glaubte, dass Jills Stimme hergekommen sein musste.
    Nachdem er eine halbe Ewigkeit den Strand entlanggerannt war und seine Beine drohten, ihn im Stich zu lassen und einfach unter ihm einzuknicken, sah er ihren schattenhaften Umriss im Sand sitzen. Sie hatte die Arme um ihre Beine geschlungen, das Kinn auf die Knie gestützt, und begrüßte ihn mit einem matten Lächeln. Dann drehte sie ihren Kopf wieder in Richtung des Sees und starrte hinaus auf den Horizont. Auf ihren Wangen schimmerten Tränen im Sternenlicht.
    Eigentlich wollte er wütend auf sie sein, ihr zeigen, wie sehr sie ihn erschreckt hatte. Doch stattdessen setzte er sich schweigend neben sie und schaute gemeinsam mit ihr auf jene dünne Linie, wo der schwarze Himmel das kaum hellere Blau des Sees berührte. Es war die Stelle, an der er sie an jenem ersten Morgen in Mormon Tears, gemeinsam mit April und Darren abseits von den anderen sitzend, gefunden hatte. Mare war sicher, dass das kein Zufall war.
    »Hi«, flüsterte Jill schließlich.
    Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Wangen und sah ihn an. Einen Moment lang schauten sie sich in die Augen, dann lehnte sie ihren Kopf an seine Schulter und blickte wieder hinaus auf den Großen Salzsee. Stumm saßen sie da, nur der Wind wehte flüsternd um die Felsvorsprünge des Berges in ihrem Rücken. Mare hatte so viele Fragen, aber das Letzte, was er jetzt wollte, war, den Keil zwischen ihnen noch tiefer zu treiben.
    Inzwischen hatten die anderen sich alle auf dem Strand versammelt und schauten in ihre Richtung, um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war. Mare winkte ihnen zur Bestätigung, war aber nicht sicher, ob sie es überhaupt sehen konnten.
    »Ich habe wieder eine Vision gehabt«, unterbrach Jill ihr langes Schweigen.
    Mare nickte und wartete, bis sie weitersprach, um sie nicht unter Druck zu setzen.
    »Alles war schwarz. Verbrannt. Asche fiel vom Himmel wie Schnee. Ich schaute durch eine Art Torbogen. Du warst auch da und hast etwas geschrien, aber ich konnte dich nicht verstehen, weil alles von einem donnernden Geräusch übertönt wurde. Hinter dir stand … stand ein schwarzer Mann. Kein Afroamerikaner … er war einfach schwarz, alles an ihm. Und er brannte. Die Flammen taten ihm nichts, sie gingen sogar von ihm aus. Ergibt das irgendeinen Sinn? Sie loderten immer höher, während er näher kam. Du hast dich umgedreht und in seine Richtung geschaut, dann hörte ich, wie ich schrie. Ich … ich …« Ihre Worte wurden zu einem leisen Schluchzen.
    »Schon gut«, flüsterte Mare und legte ihr einen Arm um die Schulter. »Wir haben jede Menge Zeit.«
    »Ich will … ich will dich nicht verlieren.«
    Jill wandte ihm ihr Gesicht zu, konnte ihm aber nicht in die Augen schauen. Mare berührte sie mit seiner anderen Hand und hob sanft ihr Kinn an.
    »Ich gehe nirgendwohin. Du kannst mich gar nicht verlieren, selbst wenn du es versuchen würdest.«
    Mare merkte erst, dass er sie küsste, als sich ihre Lippen schon berührten. Jill drehte sich nicht weg. Mit seinen Fingern folgte er der Wölbung ihrer Wangen und wischte ihre Tränen ab. Jill schob ihre Arme unter seinen durch und umschlang ihn, seine Haut kribbelte überall, wo sie ihn berührte. Dann öffnete sie ihre Lippen, und ihre Zungen berührten sich kurz. Die Luft um sie herum begann zu knistern.
    Nach einem Moment, der eine schiere Ewigkeit gedauert

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