Legionen des Todes: Roman
aber zumindest schlief sie.
Die leisen Schlafgeräusche drangen durch den Tunnel nach draußen auf den Strand, wo der Wind sie hinaus in die Dunkelheit trug bis zu einem Punkt, an dem das sanfte Atmen und Schnarchen sich in ein kaum hörbares Summen verwandelte, das immer lauter wurde, je heller der zunehmende Mond den Eingang der Höhle erleuchtete. Die weiße Scheibe spiegelte sich auf den Wellenkämmen, als eine dunkle Wolke ihn plötzlich verdunkelte; mit einem Seufzen drehte der Wind und blies landeinwärts. Das Summen wurde immer lauter, und die dunkle Wolke, die den Mond vorübergehend verschlungen hatte, explodierte in ein weiß-graues Flimmern. Ein Insekt mit dunkeltürkisfarbenem Panzer setzte sich auf die ausgestreckte Handfläche des marmornen Erlösers, doch es blieb nicht länger als eine Sekunde allein, da rollte schon die Flut seiner Artgenossen über den See heran. Winzige Geschöpfe mit länglichen Körpern bedeckten die Statuen, ließen sie einen Moment lang zu brodelnder Bewegung erwachen, bevor sie wieder zurück zum Wasser jagten. Im Tiefflug fegten sie über den See hinweg, blieben gerade noch außerhalb der Reichweite der Wellen und rollten ihre Hinterleiber aus, sodass nur deren Enden die Wasseroberfläche durchbrachen. Knotige Ausbuchtungen bildeten sich in der Mitte ihres Körpers und wanderten den wurmartigen Fortsatz entlang wie ein Kaninchen den Hals einer Würgeschlange. Als die Verdickungen das Ende der Insektenkörper erreichten, schwollen sie noch mehr an, und die libellenartigen Geschöpfe begannen heftig zu zucken und zu brummen. Dann, wie auf ein gemeinsames Zeichen, schossen die Knoten hinaus ins Freie, hinein in das Wasser des Sees, und überschütteten es mit zappelnden Larven. Kaum hatte das letzte Ei das Muttertier verlassen, erhoben sich die mutierten Insekten wieder in die Luft und setzten ihre Wanderung nach Westen fort.
Mit peitschenden Schwanzschlägen tauchten die Larven tiefer hinab, ihre flachen, blutegelähnlichen Köpfe und Beißwerkzeuge voraus, wuchsen, bis sie fast drei Zentimeter lang waren. Vögel, die eben noch auf dem See geschlummert hatten, reckten aufgeschreckt von dem lauten Brausen wachsam ihre Köpfe in die Luft. Die Beine vom Körper weggestreckt, schaukelten sie auf den Wellen, bereit, sofort die Flucht zu ergreifen. Doch sie rechneten nicht mit einem Angriff von unterhalb des Wassers. Mit den scharfen Dornen an ihren Schwanzenden durchstießen die Insekten die zähe Haut und injizierten ihr Toxin, um dann ihre bezahnten Kiefer zuschnappen zu lassen und ihren Opfern das vergiftete Blut auszusaugen. Flügel peitschten das Wasser auf, als die Vögel versuchten zu entkommen, doch sie schafften es nur ein paar Meter weit, dann fielen sie klatschend zurück auf die Wellen und trieben reglos mit dem Bauch nach oben dahin.
Die Räuber gaben ihre Beute frei, zappelten sich von den Kadavern los und stürzten sich auf Schwärme schillernder Fische. Die giftigen Stacheln durchbohrten ihr Schuppenkleid, als wäre es nasses Reispapier, dann trieben die leblosen Körper nach oben. Noch tiefer tauchten die Insekten, dorthin, wo der Mondschein das dunkle Wasser nicht mehr erhellte. Sanfte Felsformationen erhoben sich aus dem Schlick am Grund des Sees, schattige Öffnungen führten in gewölbeartige Höhlen, in denen die riesigen Amphibienpferde schliefen und sich mit eingerollten Schwänzen an Unterwasserpflanzen festhielten. Die klaren Lider über ihren Augen geschlossen, fächelten die durchsichtigen Flossen auf ihren Wangen das Wasser. Alle Höhlen waren bis oben hin mit peitschenden, stacheligen Schwänzen gefüllt, bevor der erste Dorn ihre Haut durchstach. Im selben Moment schnappten alle Amphibienaugen auf, wie wild zuckten die Tiere in dem Versuch, den Insekten zu entkommen, die ihre Haut bedeckten. Mit panisch schlagenden Flügeln schossen sie aus ihren Höhlen hinaus und jagten der Wasseroberfläche entgegen, doch es war vergebens. Als ihre Bewegungsenergie sie die Wasseroberfläche durchstoßen ließ, waren sie bereits tot, ihre leblosen Körper ein Spielzeug der Wellen. Die Köpfe unter Wasser, während die Beine bereits steif wurden, trieben die ausgerollten Schwänze an der Oberfläche. Wie Kaulquappen stoben die Insekten davon und jagten spritzend über das Wasser, begierig darauf, ihren einzigen Daseinszweck zu erfüllen, bevor ihre kurze Lebensspanne vorüber war. Sie waren wie Eintagsfliegen, jedoch geboren, um zu töten, nicht, um sich
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