Legionen des Todes: Roman
denn hier draußen los?«, fragte Mare mit einem Gähnen. Er schien alle Mühe zu haben, sich den Schlaf aus den Augen zu reiben.
»Es ist Zeit, dass wir von hier fortgehen«, stammelte Jake und riskierte einen kurzen Blick auf das Blutbad am Strand.
Und das Meer gab die Toten, die darinnen waren; und Tod und Hölle gaben die Toten, die darinnen waren.
III
Phoenix saß allein in der Dunkelheit. Die anderen waren alle wach und draußen am Strand, während das Feuer zu einem kleinen Haufen glimmender Asche herunterbrannte. Er musste einen Moment allein sein, allein mit den Gedanken, die wie Gummibälle in seinem Kopf hin und her jagten. Sie waren zu schnell, um sie festzuhalten, gewährten nur kurze Blicke auf den Weg, der vor ihnen lag. Phoenix wusste, dass es an der Zeit war, Mormon Tears zu verlassen und sich auf den Weg nach Osten zu machen, auf eine gefährliche Wanderung, die sie über den Pfad des Blutes ins Land der Toten führen würde. Es war ein Pfad, der sie in das pechschwarze Herz des Bösen bringen würde, und selbst wenn es ihnen bestimmt war zu siegen, würden manche ihrer Spuren dort im Osten enden und nicht wieder zurückkehren. Es war mehr als eine Vorahnung, es war eine Gewissheit. Eine geisterhafte Wolke des Todes hing über ihnen wie Nebel, und sie alle wussten es. Niemand hatte Fragen gestellt wegen der beiden überzähligen Grabsteine auf dem Strand. Sie waren stark. Sie gehörten zu den Überlebenden. Doch wenn sie wüssten, dass ihr Ende kurz bevorstand, würde sie das all ihrer verbliebenen Kraft berauben, und dann wären sie vielleicht nicht in der Lage, das zu tun, was zu tun war, sobald die Zeit dafür kam.
Phoenix wusste nicht einmal, ob er selbst noch über die nötige Kraft verfügte. Es gab so vieles, für das es sich lohnte zu leben, und er hatte gerade erst begonnen, diese Dinge zu entdecken. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er Freunde und eine Familie, die diese Bezeichnung verdiente. Er konnte auf weit mehr hoffen, als lediglich der Dunkelheit zu entkommen, die ihn stets umgeben hatte – er hatte Hoffnung auf eine Zukunft. Er war verliebt, was ein weitaus stärkeres Gefühl war als alles, was er jemals gekannt hatte. Stärker als der Selbsterhaltungstrieb und ein noch größerer Antrieb als Angst. Zwingender als die biologische Notwendigkeit zu atmen. Missy bedeutete ihm mehr als er selbst, und es bereitete ihm körperliche Schmerzen, wie sehr er sie verletzte.
»Bitte, gib mir die Kraft«, flüsterte er in die Dunkelheit und wischte sich die unkontrolliert fließenden Tränen von den Wangen.
Die anderen starrten in diesem Moment auf die Unzahl von toten Tieren, die über den ganzen Strand verstreut lagen, und fragten sich wahrscheinlich, was sie mit all den Kadavern tun sollten. Phoenix wusste es, denn er hatte gehört, wie die armen Geschöpfe in der letzten Nacht gestorben waren; wie Nägel, die jemand durch seine Schädeldecke treibt, hatten sich ihre Schreie in sein Gehirn gebohrt. Dennoch gab es nichts, was er hätte tun können. Er fühlte sich vollkommen hilflos, und einzig und allein die Intensität ihrer gequälten Todesschreie reichte an dieses Gefühl des Ausgeliefertseins heran. Er stellte sich Missy vor, wie sie jedes einzelne der verendeten Tiere beklagte, wie ihr rabenschwarzes Haar im Licht der noch jungen Morgendämmerung glänzte. Alle seine Gedanken führten unweigerlich zu Missy. So wie sie es immer schon getan hatten. Sie war das Licht gewesen, das ihm in seinem Kellerverlies geleuchtet hatte, und jetzt, da seine Wege ihn durch die reale Welt führten, noch umso mehr. Er hasste sich für die Qualen, die er ihr Tag für Tag zufügte, für den Keil, den er jedes Mal, wenn sie miteinander sprachen, noch tiefer zwischen sie treiben musste. Er glaubte, wenn er ihr Tag für Tag noch ein bisschen mehr wehtat, könnte er sie vor dem schrecklichen Schmerz bewahren, der am Ende des Pfads des Blutes auf sie wartete. Aber sie war stärker, als er es sich jemals hätte vorstellen können. Sie liebte ihn. Bedingungslos. Stumm fügte er ihr Wunde um Wunde zu wie mit einer neunschwänzigen Katze, und immer noch hielt sie stand, bewahrte die Hoffnung, dass er sie am folgenden Tag nicht wieder mit voller Absicht verletzen würde, während er sich alle Mühe gab, genau das zu tun.
»Es tut mir so leid«, schluchzte er und vergrub sein Gesicht in den Händen.
»Was tut dir leid?«, flüsterte eine leise Stimme oben auf den Steinstufen, die hinunter zu der
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