Legionen des Todes: Roman
heftigen Detonation. Kleine, schwarze Punkte jagten über die Wiese. Adam warf sich auf den Boden, nur einen Wimpernschlag bevor Evelyn dasselbe tat, die Augenlider fest zusammengepresst, den Mund zu einem Schrei geöffnet, den die Grasnarbe unbarmherzig erstickte. Im Geist hatte sie noch das letzte Bild vor Augen, das sie gesehen hatte: eine Wolke, die den halben Horizont zu bedecken schien und den Wald in Stücke riss.
Überall um sie herum erhoben sich Schreie, ein entsetzliches Kreischen, das ihre Trommelfelle wie mit Nadeln traktierte. Sie spürte klatschende Schläge überall auf ihrem Körper, Krallen verfingen sich in ihrem Haar und rissen hektisch daran, um wieder loszukommen. Evelyn schlug nach einem der Angreifer und spürte weiche Federn. Etwas Spitzes hackte mehrere Male schnell hintereinander auf ihren Handrücken ein, bevor sich das Tier aus dem Haarknäuel befreien konnte.
Der Wind zerrte an ihrer Kleidung und blähte sie auf, etwas mit furchtbar scharfen Krallen und wild schlagenden Flügeln geriet in den Kragen ihres T-Shirts, kämpfte und wand sich, bis es am anderen Ende ihres Rückens wieder herauskam. Evelyn rollte sich herum und bedeckte ihr Gesicht in der Hoffnung, damit zu verhindern, dass ihr auch noch der letzte Rest Haare ausgerissen und ihr Rücken weiter zerfetzt wurde. Als sie es wagte, ihre Augen ein Stück weit zu öffnen, starrte sie auf einen sintflutartigen Strom gefiederter Leiber, der über sie hinwegjagte. Es mussten Vögel in den unterschiedlichsten Farbtönen sein, die sich in der Dunkelheit nur schwach voneinander abhoben. Selbst innerhalb ihrer nicht vorhandenen Formation kämpften sie um ihre Position, schlugen mit Flügeln, Schnäbeln und Krallen aufeinander ein. Federn regneten auf Evelyn herab. Sie unterdrückte mit all ihrer Kraft einen Schrei, aus Angst vor dem, was ihr in den geöffneten Mund fallen könnte.
Der brüllende Wind schien nicht mehr enden zu wollen, während Evelyn unablässig die Flügelspitzen beiseitefegte, die nach ihr schlugen, und die hysterischen Vögel von ihrem Körper vertrieb. Und dann waren sie, so schnell wie sie gekommen waren, wieder verschwunden. Das schrille Kreischen verhallte in westlicher Richtung wie das Quietschen eines Güterzugs, der aus einem Tal hinausrollt, und die dunkle Wolke am Nachthimmel wurde immer kleiner, bis sie mit dem schwarzen Firmament verschmolz. Weiche Daunen fielen vom Himmel wie Schnee.
Es dauerte einen Moment, bis Evelyn ihren Puls so weit beruhigt hatte, dass sie aufstehen konnte. Blut lief ihren Rücken herunter. Vorsichtig befühlte sie die Kratzer auf ihren Wangen und drehte sich zu Adam um, der gerade die Wiese um sie herum in Augenschein nahm. Sie war mit kleinen Hügeln übersät, die bewegungslos unter dem Daunenschauer liegen blieben, der sich über einen Teppich aus Nadeln und Zweigen ergoss. Ein paar Nachzügler fegten über ihre Köpfe hinweg. Etwas mit grotesk langen Flügeln schrie wie eine Gans, während eine Handvoll kleiner roter und blauer Vögel an dem Tier vorbeijagte.
»Was um Himmels willen war das?«, keuchte Adam.
»Ich hab so etwas noch nie gesehen«, sagte Evelyn, während sie einen der toten Vögel mit ihrer Schuhspitze umdrehte. »Ich hab noch nie erlebt, dass so viele unterschiedliche Spezies sich zusammenrotten. Das ist vollkommen unnatürlich.«
»Etwas muss sie höllisch erschreckt haben.«
»Und ich bete, dass wir nicht gleich mit eigenen Augen zu sehen bekommen, was es war.«
Adam konnte nur zustimmend nicken. Er streckte seine Hände nach ihrem Gesicht aus und fuhr mit den Fingerspitzen über ihre Wangenknochen. Die Kratzer waren rot und angeschwollen, aber sie schienen nur oberflächlich zu sein.
»Mir fehlt nichts«, sagte Evelyn und schob seine Hände weg. »Ich mache mir eher Sorgen, warum so viele Vögel es so eilig haben, nach Westen zu kommen. Das ist nicht ihre normale Zugrichtung.«
»Ich schätze, wir werden es früh genug herausfinden«, erwiderte Adam.
Evelyn wusste, dass er recht hatte. Was auch immer diese Vögel so erschreckt hatte, befand sich zweifellos direkt auf ihrem Weg. Sie dachte an den schwachen Geruch von Waldbrand und an Jills Vision. Ein großes Buschfeuer konnte durchaus so viele Vögel aufscheuchen, aber Evelyn hatte das bange Gefühl, dass es sich um mehr als nur einen sich unkontrolliert ausbreitenden Brand handelte. Es musste der pure Schrecken sein, der unter dem Rauch lauerte.
Sie zitterte.
»Wir ruhen uns besser ein bisschen
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