Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Legionen des Todes: Roman

Legionen des Todes: Roman

Titel: Legionen des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McBride
Vom Netzwerk:
begriff, was er fühlte, wusste er, dass dieses Gefühl die ganze Zeit über da gewesen war. Vielleicht hatte die Entfernung es am Ufer des Großen Salzsees etwas abgemildert, aber nichtsdestoweniger war es da gewesen. Als sie mit den Motorrädern in die Berge hineingefahren waren, hatte er es zum ersten Mal bemerkt – eine schneidende Kälte, die er leicht auf den Fahrtwind und die anbrechende Nacht schieben konnte, angekündigt durch den länger werdenden Schatten der Berge, der sich über sie senkte, während hinter den Gipfeln die Sonne unterging. Doch mit jeder Meile, die sie zurücklegten, war das Gefühl stärker geworden. Seine Gänsehaut hatte sich von den Armen bis über seine Schultern ausgebreitet, bis selbst seine Zähne zu klappern begannen. Nicht einmal der unter ihm brummende Motor strahlte noch genug Wärme ab. Doch da war noch mehr gewesen als diese Kälte. Er fühlte sich wie ein Magnet, wie ein falsch eingestellter Kompass wurde sein Körper von einer unsichtbaren Kraft beständig nach Osten gezogen von einer Macht, die ihn schneller zu sich rief, als selbst das Motorrad ihn tragen konnte. Phoenix spaltete sich immer mehr, die Kraft, die seinen inneren Magneten anzog, wurde von Minute zu Minute stärker. So funktionierte es also. Sie waren wie die zwei entgegengesetzten Pole ein und desselben Magneten, untrennbar miteinander vereint, nicht Gegner, sondern die zwei komplementären Aspekte ein und desselben Ganzen.
    Es war eine bestürzende Erkenntnis für Phoenix, auch wenn er wusste, dass sie ihn eigentlich nicht überraschen sollte. Weder war er selbst die Verkörperung des absolut Guten, noch war sein Doppelgänger der Inbegriff des Bösen. Ihnen beiden haftete der Makel der Ursünde an, in unterschiedlichem Maße trugen sie Liebe und Hass, Gier und Großzügigkeit in sich. Sie waren zwei Seiten derselben Medaille, die zusammen ein Ganzes ergaben.
    Er hätte von Anfang an merken müssen, dass es niemals um sie als eine Gruppe von Überlebenden gegangen war, sondern um ihn und seinen Gegenspieler. Es war die Schlacht zwischen ihnen beiden, die über das Schicksal der Menschheit bestimmen würde. Er hätte nicht erlauben dürfen, dass die anderen mit ihm kamen. Vielleicht hätte er es ohne sie gar nicht bis hierher geschafft, doch mittlerweile war ihm ihr Leben mehr wert als sein eigenes, und jetzt brachte er sie wissentlich in Gefahr. Jene, die ihn aus seiner lebenslangen Gefangenschaft in all den dunklen und kalten Kellerverliesen befreit, ihn willkommen geheißen und ihm zum ersten Mal in seinem Leben eine Familie gegeben hatten. Jene, die ihn liebten. Und wie belohnte er sie dafür? Indem er sie wie Vieh zum Schlachter trieb.
    Phoenix presste Augenlider und Kiefer zusammen und versuchte, die Visionen dazu zu zwingen, sich zu enthüllen, ihm das Schicksal zu offenbaren, das sie erwartete, doch er sah nichts außer der eisigen Finsternis, die so lange Zeit das Einzige gewesen war, das er von der Welt kannte. Er wusste, dass sie nicht alle überleben würden, aber das war auch schon alles. Er wusste nicht, ob sie ihren Auftrag erfüllen oder bei dem Versuch sterben würden. Diese Ungewissheit war das Schlimmste von allem. Phoenix neigte den Kopf und kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe herum. Vielleicht bedeutete es auch nur, dass der Ausgang noch nicht feststand, dass sie ihr Schicksal selbst in der Hand hatten. Vielleicht war es noch nicht zu spät, seine Freunde zu retten. Er wusste, dass sein eigenes Schicksal besiegelt war, und das eines seiner Gefährten, aber darüber hinaus … ob die anderen leben oder sterben würden, wusste er nicht. Vielleicht stand es in seiner Macht, sie zu retten. Nun, vielleicht, vielleicht könnte er …
    »Komm zurück ans Feuer«, sagte Missy. Sie legte ihm einen Arm um die Hüfte und lehnte ihren Kopf an seine Schulter, dann folgte ihr Blick seinem hinaus in die Nacht, aber sie konnte nicht sehen, was es war, das ihn dort in seinem Bann hielt. Sie hatte ihn die ganze Zeit beobachtet, seit er sich von der Gruppe entfernt hatte. Er zog sich wieder in sich selbst zurück, und es gab nichts, was sie dagegen tun konnte.
    Phoenix nickte und drehte sich um, gestattete ihr, ihn zurück zu den anderen zu bringen, die auf zwei Picknicktischen um einen Grillplatz herum saßen, in dem das Feuer fast einen halben Meter hoch bis über den Rost züngelte. Während er auf sie zuging, blickte er von einem Gesicht zum nächsten und fragte sich, wessen Tod er nicht würde

Weitere Kostenlose Bücher