Legionen des Todes: Roman
sie es überhaupt so weit geschafft hatten. Sie konnte sich kaum vorstellen, welche Schmerzen sie gelitten haben mussten, und es tat ihr regelrecht weh, nur daran zu denken.
Jedes Mal, wenn der Wind auffrischte, regneten Ascheflocken auf sie herab. Missys Lunge schmerzte bereits. Je höher sie kamen, desto wärmer wurde die Luft, und Missy spürte, wie sich an der Stelle, an der Phoenix sich mit überkreuzten Armen an ihr festhielt, Schweißtropfen auf ihrem Bauch bildeten. In den Baumwipfeln auf dem nächsten Bergkamm vor ihnen hing Rauch, aber Missy konnte noch keine Flammen sehen. Wie Klumpen schwarzer Erde schwebte er über ihren Köpfen und erfüllte die Luft mit einem stechenden Geruch, der sogar den süßen Duft der violetten Blüten des Dornengestrüpps überlagerte, das hier und da aus dem hohen, golden schimmernden Gras lugte. Sie wusste, dass es nicht mehr lange dauern konnte, bis der Pfad sie mitten hineinführen würde in diese Rauchwand, die sich vor ihnen auftürmte wie eine Lawine, die nur darauf wartete, sich loszureißen und sie unter sich zu begraben.
Missy versuchte sich einzureden, die Brände wären natürlichen Ursprungs, vielleicht durch Blitzschlag verursacht, und jetzt, da es keine Feuerwehr mehr gab, konnten sie sich ungehindert ausbreiten. Doch sie wusste es besser. Etwas – Missy zögerte, genauer darüber nachzudenken, was – legte diese Brände mit voller Absicht, und dieses Wesen, vielleicht auch mehrere, arbeitete sich nach Westen vor, während sie Richtung Osten unterwegs waren. Ihre Pfade würden sich bald kreuzen.
Missy dachte an Jills Vision, an die Schatten, die sie gesehen hatte, wie sie unter dem Schutz des Rauches auf sie zugekommen waren, während die Flammen sie einschlossen. Beinahe hätte sie geschrien. Es war mehr, als ihr Verstand ertragen konnte.
Zwing es nieder , dachte sie. Denk einfach nicht daran. Denk an gar nichts. Behalte einfach den Pfad im Auge. Schau nicht mal nach oben . Doch die Asche, die um sie herum durch die Luft wirbelte, und der Gestank der verbrannten Erde ließen es nicht zu.
Phoenix musste gespürt haben, wie sich ihr Körper verkrampfte. Er lehnte sich nach vorn und sprach direkt in ihr Ohr, damit sie ihn verstehen konnte.
»Ich werde nicht zulassen, dass irgendjemand dir wehtut.« Das Gefühl, seinen Atem an ihrem Ohr zu spüren, beruhigte sie sofort.
Sie drehte den Kopf, um wenigstens einen Moment lang seine Wange an der ihren zu spüren, dann musste sie sich wieder auf den Pfad konzentrieren. Der Rauchteppich hing nun so dicht über ihren Köpfen, dass Missy ihn beinahe berühren konnte, und hinter dem dicht bewachsenen Bergkamm vor ihnen flackerte ein rötlicher Lichtschein – Vorboten des Feuers, auf das sie bald stoßen würden. Der Anblick weckte in ihr den Drang, sofort den Lenker loszulassen und nach der Schrotflinte zu greifen, die quer über ihrer Brust hing. Was würde sie tun, wenn sie die Flinte tatsächlich benutzen musste? Seit dem letzten Mal, als ihr Vater mit ihr hinausgefahren war, um alte Dosen und Flaschen von den Pfosten des Weidezauns neben der Müllhalde zu schießen, hatte sie keinen Abzug mehr betätigt. Das war jetzt mindestens fünf Jahre her. Der Gedanke beunruhigte sie zutiefst.
Jede Faser ihres Körpers schrie danach, umzukehren und zurück nach Mormon Tears zu fahren, vielleicht daran vorbei, immer weiter, bis zum Pazifik. Sie hätte kein Problem damit gehabt, einfach wegzurennen. Was sie anging, hätten sie auch den Rest ihres Lebens damit verbringen können wegzurennen. Sich ein Boot beschaffen und eine Zeit lang zwischen den hawaiianischen Inseln herumschippern. Japan anschauen. Schließlich war die Welt groß genug und hielt jede Menge Plätze bereit, an denen man sich verstecken konnte.
Die ersten Flammen tauchten zwischen den Bäumen auf und rasten den Abhang herunter.
O mein Gott. O mein Gott. O. Mein. Gott .
Phoenix verlagerte seinen Griff um ihre Hüfte, und Missy wäre beinahe aus der Haut gefahren.
Adam musste die Flammen auch gesehen haben. Sein Bremslicht leuchtete auf, und er bog ab, herunter von dem Pfad und hinein in die hohen Gräser, wo er wartete, bis sie sich alle im Kreis um ihn aufgestellt hatten. Als er schließlich etwas sagte, blickte er Phoenix fest in die Augen:
»Was jetzt?«
Phoenix’ Blick sprang zu dem Hügel hinüber, wo ein weiterer Flammenkeil durch die Bäume brach. Rauch waberte zwischen den beiden Feuerzungen hin und her, die sich mit rasender Geschwindigkeit
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