Legionen des Todes: Roman
brennenden Bäumen vorbei und hielt vor den beiden matschigen Haufen an, die einmal seine Artgenossen gewesen waren.
Erneut drückte Ray den Abzug, aber das Ding bewegte sich bereits. Die Kugel schlug knapp hinter ihm mit einer grauen Fontäne in einem der Kadaver ein. Die Kreatur brüllte, während sie lief, doch diesmal klang es eher wie der Schrei eines Menschen.
»Vorbei«, sagte Ray und versuchte mit zitternden Händen, eine neue Patrone einzulegen.
Seine Ohren dröhnten und übertönten jedes Geräusch außer seinen eigenen Gedanken. Er konnte nicht erkennen, wohin das Monster verschwunden war, er nahm nur das sengende Glühen des Feuers wahr. Keine Bewegung außer dem Züngeln der Flammen. Nichts.
Ray musste würgen und hustete so heftig, dass er beinahe hingefallen wäre, schaffte es aber stehenzubleiben.
Wo ist es hin? Wo ist es hin?
Er wirbelte nach links herum und zielte an Missys Kopf vorbei. Nichts als der neblige Rauch und Flocken von Asche.
»Ich sehe sie nicht mehr!«, schrie Ray.
Er konnte nicht das Geringste hören. Selbst seine eigene Stimme klang wie ein Flüstern am anderen Ende eines langen Ganges. Wäre da nicht dieses hohe, pfeifende Dröhnen in seinen Ohren gewesen, hätte er vielleicht das Scharren klauenbewehrter Füße gehört, die sich in die Erde gruben und brennenden Humus aufwirbelten. Vielleicht sogar das raschelnde Geräusch eines schweren Atems oder das Grunzen, als etwas Großes, Wütendes hoch in die Luft sprang. Das Pfeifen der Klauen, die den Rauch zerteilten. Das Schaben viel zu langer Zähne, die aufklappten wie eine Bärenfalle.
Nur die Schreie konnte er hören.
Vor den Schreien gab es kein Entrinnen.
V
Der Geruch ihrer Beute trieb die Kreatur zur Raserei. Das göttliche Aroma war jetzt überall, diffundierte durch ihre Poren und versetzte sie in einen Zustand der Ekstase. Selbst das wenige an Kontrolle, das sie einmal über ihre Sinne besessen hatte, war jetzt nur noch eine Erinnerung. Die tief in ihrem Nervensystem verankerten Instinkte, die über nichts als Hass und Blutdurst geboten, übernahmen jetzt die Kontrolle über ihren Körper. Der feuchte Geruch von menschlichem Blut stürzte sein Gehirn mit der Geschwindigkeit eines Aufzugs, dessen Haltekabel gerissen waren, in den Wahnsinn. Schneller und immer schneller. Äste zerfetzten ihr Gesicht und ihre Brust, während die Bestie ihre Beute gerade außer Sichtweite umkreiste, immer vom Rauch verdeckt, als wäre sie ein Teil davon.
Die Kreatur sprang auf einen Felsen, machte einen Buckel und stieß ein Brüllen aus, das ihr ein Bild der Welt um sie herum zeichnete, aber selbst das spielte jetzt keine Rolle mehr. Mit dem Geruch ihrer Beute in Nase und Lunge waren Hunger und Verlangen das Einzige, was sie noch spürte. Sie hätte mit voller Geschwindigkeit gegen einen Baumstamm prallen und sich jede einzelne Rippe brechen können, ohne auch nur den geringsten Schmerz zu verspüren, und wäre innerhalb von Sekundenbruchteilen wieder auf den Beinen gewesen.
Der Duft, diese wundervolle Witterung, wurde noch stärker, als sie ihr Bellen ausstieß. Jedes Geräusch, das ihre Opfer machten, jedes Knirschen der Erde und jedes Knacken eines Astes verstärkte den Geruch, als wären die Menschen dort unten Schwimmer in einem haiverseuchten Meer, die aus Hunderten von kleinen, sich langsam vergrößernden Schnitten bluteten und das Wasser um sich herum rot färbten. Das Brüllen zerteilte den Rauchvorhang, und der süße Klang menschlicher Schreie schlug der Kreatur entgegen. Mit jedem dieser Schreie wurde der Angstgeruch, der in der Luft lag, noch stärker, bis er sich wie Öl auf ihre Haut legte und sie in Ekstase versetzte.
Die Bestie wollte sich den Hang hinunter mitten in sie hineinstürzen, ihr Fleisch von den Knochen reißen und sich daran laben. Das Warten trieb sie beinahe in den Wahnsinn, doch die Symphonie der Angst hatte ihr nasses Crescendo noch nicht erreicht, und wenn es so weit war, würde sie sich gleichzeitig mit ihren Artgenossen mit ungezügelter Grausamkeit und Blutlust auf sie stürzen.
Die anderen verspürten genau dasselbe und hielten noch einmal kurz inne, um ein letztes Bellen in die Luft zu schleudern. Ein schauerliches Brüllen nach dem anderen …
Peng!
Die Bestie blieb, wo sie war, und senkte ihren Bauch auf den mit glühender Asche bedeckten Boden. Das Geräusch kam ihr vage vertraut vor, wie ein Echo aus einem vergangenen Leben. Die zwischen ihnen eingepferchte Beute machte dieses
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