Legionen des Todes: Roman
Als der Kanister voll war, zog sie den Schlauch heraus und gab ihn Adam, der mit dem anderen Kanister in der Hand bereits neben ihr wartete.
Mare sprang von dem Autowrack herunter ins Wasser und ging gemeinsam mit seiner Schwester zurück zum Parkplatz, vorbei an Evelyn, die gerade ins Wasser watete.
»Hey, Missy. Erinnerst du dich noch daran, als wir fast kein Benzin mehr hatten und jemand mit Hilfe seiner unglaublichen Kombinationsgabe doch noch welches gefunden hat?«
»Das ist noch keine zwei Minuten her, Mare«, erwiderte Missy und verdrehte die Augen.
»Und wer war dieser Mann, der uns alle gerettet hat?«
Missy stöhnte.
»Ich sagte, wer war dieser Mann?«
»Lass mich in Ruhe.«
»Komm schon, Missy. Wer ist der …?«
»Mare«, unterbrach Phoenix.
»Endlich«, sagte Mare. »Endlich findet sich jemand, der bereit ist, meine außerordentlichen Fähigkeiten …« Mare verstummte. An dem düsteren Ausdruck auf Phoenix’ Gesicht konnte er erkennen, dass er seinen Namen aus einem anderen Grund ausgesprochen haben musste.
»Ich muss mit dir reden.«
»Klar«, gab Mare zögernd zurück. Und dann, an Missy gewandt: »Bin gleich wieder da.«
Phoenix ergriff seinen Ellbogen und führte Mare hinter die eine Mauer, die noch stand. Auf dem Weg dorthin schaute er immer wieder über seine Schulter, um sicherzugehen, dass niemand ihnen folgte. Schließlich ließ er Mares Ellbogen los und nahm seine Hand.
»Ich muss dir etwas geben«, flüsterte Phoenix und blickte ihn mit seinen rosafarbenen Augen durchdringend an.
VII
Mare war immer noch nicht ganz sicher, was bei der ausgebrannten Tankstelle geschehen war. Das ganze Ereignis war ihm ein Mysterium, das er zu enträtseln versuchte, während sie Richtung Osten weiterfuhren. Sie hatten immer noch hinter der Mauer gestanden, als Adam nach ihnen rief, und starrten einander in die Augen, wie sie es schon mehrere Minuten lang getan hatten, während derer Mare ungeduldig darauf gewartet hatte, dass Phoenix etwas sagen würde. Schließlich hatte er ihn zu sich gerufen. Doch Phoenix griff nicht in seine Jackentasche, um ihm das Geschenk zu geben, das er angekündigt hatte. Stattdessen stand er einfach nur da und schaute ihm in die Augen, während er die ganze Zeit über seine Hand hielt. Es war nicht gerade angenehm gewesen. Mare hatte das Gefühl, als blicke Phoenix durch seine Augen direkt in seine Seele, falls so etwas überhaupt möglich war. Mare war immer unruhiger geworden, hatte es aber nicht geschafft, den Blickkontakt abzubrechen. Eine schiere Ewigkeit verging, und die Welt um sie herum stand still, bis endlich etwas passierte. Doch Mare war immer noch nicht sicher, was. Das Einzige, woran er sich klar und deutlich erinnern konnte, war, wie Adam gerufen hatte, sie sollten sich endlich in Bewegung setzen, und jetzt saß er hier, hinter dem Lenker seines vollgetankten Motorrads und fuhr den unregelmäßigen, von Ruß geschwärzten Pfad entlang, während Ray sich von hinten an ihm festhielt.
Die Sonne ging gerade unter und bereitete sich darauf vor, sich hinter die gezackten Bergspitzen davonzustehlen, die Schatten vor ihnen wurden immer länger und streckten ihre dunklen Finger nach der mit toten Baumstümpfen gesprenkelten Landschaft aus. Sie würden nicht mehr sehr weit kommen, bis sie ein Lager aufschlagen und die Nacht ausrufen mussten – die versengte Erde bot kaum einen Kontrast gegen den sich verdunkelnden Himmel, und die langsam vorrückenden Schatten zwangen sie schon jetzt, ihr Tempo zu drosseln.
Mares Gedanken kehrten wieder zu dem rätselhaften Moment zurück, den er mit Phoenix erlebt hatte. Zum x-ten Mal spielte er ihn in seinen Gedanken durch. Er war in die Augen des anderen Jungen hineingezogen worden, in dieses blasse Rosa, das ausgesehen hatte wie ein rissiges Stück Asphalt, durchzogen von scharlachroten Linien, roten Strahlen, die von den schwarzen Sonnen seiner Pupillen ausgingen. Phoenix’ Augen waren blutunterlaufen, die Ränder seiner Augenlider so gereizt, dass sie aussahen, als würden jeden Moment blutige Tränen unter ihnen hervorquellen und über seine Wangen laufen. Vielleicht lag es an Mares Beschützerinstinkt, aber seit er Phoenix kannte, war er sich nie ganz sicher über diesen seltsamen Jungen gewesen. Er konnte es an nichts Konkretem festmachen, aber irgendetwas an Phoenix machte ihn nervös, wenn er in seiner Nähe war. Jedes Mal fühlte er sich wie eine Ameise unter einem Brennglas, das nur darauf wartete, dass die
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