Legionen des Todes: Roman
und steuerte nur mit einer Hand, während er mit der anderen seinen Hinterkopf betastete. Die Haut dort fühlte sich heiß an, und er spürte, wie sich an einer Stelle, die in etwa so groß war wie eine Fünfzig-Cent-Münze, eine Blase bildete, die unter dem Druck seiner Finger nachgab. Die Haare dort waren weggesengt, die Locken darum herum trocken und spröde.
Er hatte nicht mehr gespürt als eine vorübergehende Wärme.
Du wirst keine Schmerzen spüren .
»Was hat er mit mir gemacht?«, keuchte Mare. Und wichtiger noch … warum?
VIII
Jake konnte seine Augen kaum noch offen halten. Die Sonne war vor einiger Zeit untergegangen, auch wenn er nicht genau sagen konnte, wann. Es spielte ohnehin keine Rolle. Sein Zeitempfinden war unrettbar zerstört. Entweder war es Tag und sie mussten weiterfahren, oder es war Nacht und sie mussten schlafen, doch jedes Mal, wenn er seine Augen schloss, warteten im Inneren seines Kopfes Bilder von Monstern auf ihn, die durch wabernde Rauchwolken jagten und schauerliche Schreie ausstießen, die immer noch in seinem Schädel widerhallten. Jedes Mal, wenn eine dieser furchtbaren fledermausartigen Fratzen sich mit klaffenden, triefenden Kiefern auf ihn stürzte, riss er seine Augen auf, die ihm flüchtige Blicke auf die vorbeihuschenden abgebrannten Wälder gewährten, auf tote Bäume, die wie Zombies über ihren Gräbern standen und sich dann langsam wieder schlossen. So oder so war er in ständiger Furcht und wünschte sich jedes Mal, dass der Schlaf ihn endlich in seinen Schoß nehmen würde, sobald seine Augenlider sich berührten.
Die Wärme von Evelyns Körper beruhigte ihn ein wenig, aber sie war kein Ersatz für seine Mutter, und allein der Gedanke an sie ließ jedes Mal Tränen in seine Augen steigen. Sie wollte, dass er stark war, das hatte sie in so vielen Träumen zu ihm gesagt, also würde er stark sein, aber die Erschöpfung machte es schwierig für ihn. Er wollte sich einfach in seinem Bett zuhause zusammenrollen, aus diesem Albtraum erwachen und warme Milch mit Honig trinken, während seine Mutter ihm mit der Hand über den Kopf strich und zärtlich über seine Augen fuhr, bis der Sandmann ihn in Träume von Superhelden und Comicfiguren entführte. Doch so würde es natürlich nie wieder sein, denn noch bevor er überhaupt einmal wieder eine Nacht würde ruhig schlafen können, mussten sie die Tore der Hölle erstürmen.
Er verlagerte seinen Kopf an Evelyns Rücken, fand vorübergehend eine weiche Stelle zwischen ihren Schulterblättern und schlang seine Arme enger um ihre Hüfte. Evelyn nahm eine Hand vom Lenker und drückte sanft seinen Arm, kurz, das musste genügen.
Seit Anbruch der Nacht war ihre Geschwindigkeit dramatisch gesunken, das Licht der Scheinwerfer war kaum mehr als ein helles Flimmern in der Schwärze vor ihnen und somit wenig hilfreich. Sie würden bald anhalten müssen. Versuchen, ein wenig zu schlafen. Dieser Gedanke machte Jake nur noch trauriger, denn er wusste, dass diese Nacht die letzte sein würde, in der sie alle noch am Leben waren. Er wusste zwar nicht, wer sich auf die Reise zu seiner Mutter machen würde und auf welche Weise, aber es gab nichts, dessen er sich während seines kurzen Lebens so sicher gewesen war. Die Träume, in denen er die Zukunft voraussah, waren wie weggeblasen, aber vielleicht lag es auch daran, dass sie einfach zu wenig schliefen und er, wenn überhaupt, schlief wie ein Toter, traumlos. Egal warum, die kommende Morgendämmerung würde nichts als Blutvergießen und Leid bringen.
Bremslichter warfen einen roten Schein auf den toten Wald um ihn herum, und der Motorradtross blieb stehen. Sie hielten am Fuß zweier Felsvorsprünge an, deren Form ihn an übergroße Pilze erinnerte. Ihre flache Oberseite war zu einem schmalen Felssims ausgebildet, aus dem ein paar verkohlte Baumstümpfe ragten wie übergroße Yuccapalmen.
»Dieser Platz ist genauso gut wie jeder andere«, sagte Adam und machte den Motor aus. Er kletterte von seiner Maschine und lehnte sie auf den Seitenständer, während auch die anderen Motoren einer nach dem anderen verstummten. Dann standen sie da in einer gespenstischen Stille, die nicht einmal vom Flüstern des Windes unterbrochen wurde, in einer Leere, in der die Geräusche der normalen Welt nicht mehr existierten.
»Wurde langsam Zeit«, sagte Missy. »Ich bin schon halb eingeschlafen beim Fahren.«
»Ich auch«, meinte Jill, während sie Mare dabei beobachtete, wie er von seinem Motorrad
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