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Lehmann, Christine

Lehmann, Christine

Titel: Lehmann, Christine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mit Teufelsg'walt
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s bensau!«
    »Ja, ja! Es wird dir nur nichts nützen. Ich kann mich nicht selbst von hinten erdrosseln!«
    Katarina benagte einen Fingernagel. »Wir sind sowi e so noch nicht strafmündig.«
    So schlau, um kein Argument verlegen, schlagfertig, bestens informiert, was ihre Belange betraf. Hatte es für ihre Führungskraft nicht was anderes gegeben als Mord und Totschlag? Ich verstand sie sogar. Ihr war die Zeit zu lang geworden, bis sie nach Schulabschluss, Ausbildung und Praktikumssklaverei Beförderungsansprüche stellen konnte. Es musste jetzt gelebt werden, jetzt getan, was die Ohnmacht eindämmte und Handlungsgewalt schuf.
    »Sie werden dich trotzdem einsperren, Katarina«, sa g te ich. »Du hast zwei Menschen getötet, eine Richterin und deine eigene Mutter, Katarina, deine eigene Mutter!«
    »Sie wollte es doch! Sie wollte sterben. Ständig wollte sie sterben. Ich hab’s nicht mehr hören können. Ich me i ne, was kann ich da machen? Bin ich dafür verantwor t lich? Andere Eltern verdienen Geld. Aber meine, was tut die? Tut sich immer nur selber leid. Und ich habe alles am Hals. Ständig habe ich auf Tobi aufgepasst. Bin ich ein Kindermädchen? Ich habe auch mein Leben.«
    Mir schwante Undenkbares. »Du warst das … Du hast Tobi weggebracht. Du hast ihn im Sonnennest abgeli e fert.« Kein Wunder, dass sich in den Behörden niemand erinnerte! »Und mir erzählst du was von Jugendamt und Polizei im Kindergarten!«
    Katarina lachte nicht ohne Stolz. »War total leicht. Nur das verkackte Sonnennest war voll schwer zu finden. Ich habe zu Tobi gesagt, da gehst du jetzt spielen, und ich hol dich nachher wieder ab.«
    »Und uns heulst du was vor. O Gott, Katarina. Wir haben dir helfen wollen. Richard hat …« Die Worte ve r weigerten sich mir. Was hatte er alles getan, um Katarina ein wenig auf unsere Kultur einzunorden. »Und die ga n ze Zeit hast du … Scheiße! Warum hast du Richterin De p per umgebracht?« Ich schaute zu Jovana hinüber. Ihr mochte dämmern, dass sie nicht ungeschoren aus der Sache rau s kommen würden. »Warum habt ihr das getan?«
    »Haben wir nicht. Beweis es uns! Solange sind wir unschuldig!«
    Mein Röcheln hätte ein Lachen sein sollen. »Es wird einen Beweis geben, Katarina. Ein Gen-Abgleich, und die Sache ist klar. Ihr habt Depper im Wald getroffen. Oder im Heim, als ihr Tobi abgeliefert habt und sie mit dem Baby davongelaufen ist. Jovana hat sie erkannt. Du kanntest sie ja gar nicht. Aber bei den Nemkovas war sie ein paarmal. Und ihr seid ihr gefolgt. Und dann?«
    »Sie hat es verdient!«, blaffte Katarina, ganz Verteid i gung, Rechtfertigung und moralisches Achselzucken. »Sie hätte uns nicht so blöd anmachen dürfen, dass wir ihr die Handtasche geklaut hätten und so. Außerdem hat sie ihre Babys umgebracht. Sie ist eine Mörderin. Und so was darf Richter sein. So was bestimmt über unser L e ben, über das von meiner Mama und mir? Sie ist schuld, dass Mama Tabletten genommen hat, dass sie verrückt ge wo r den ist vor Angst. Dafür hat sie bezahlen müssen.«
    »Das Baby auch?«
    »Babys gibt’s genug. Die werden ständig geboren. Und die Hälfte von ihnen will keiner. Eliska wollte ihrs ja auch nicht. Und außerdem, was ist? Es lebt doch.«
    Ich wollte böse lachen, konnte aber nicht. »Und du warst es auch, die an Detlef Depper die Drohbriefe g e schrieben hat. Nicht deine Mutter, stimmt’s?« Ein G e danke fuhr mir glühend heiß in die Glieder. »Und ihr seid jetzt gerade von ihm gekommen. Nicht aus dem Exil . Das war alles gelogen. Ihr wart bei ihm. Was habt ihr mit ihm gemacht?«
    Katarina grinste. »Das möchtest du gern wissen?«
    Nein, ich wollte es nicht wissen. Ich würde es noch früh genug erfahren.
    »Ich rufe jetzt die Polizei«, sagte ich. »Ihr könntet ve r suchen davonzulaufen. Aber es wird euch nichts nützen. Und ich werde dir hinterherlaufen, Katarina, und ich werde dich kriegen. Klar?«
    Ich tastete in der Parkatasche nach meinem Handy.
    Katarinas Teeniegestalt straffte sich. »Los, Jovana!«, rief sie. »Lauf.«
    Sie selbst drehte sich um und rannte los. Ich sah noch, wie Jovana in die andere Richtung flüchtete, und ve r suchte Katarina zu folgen. Aussichtslos. Schon nach ein paar Schritten machten sich alle Blessuren bemerkbar, die ich bisher im Überlebensstress hatte ignorieren kö n nen. Am Fußknöchel, am Hals, an der Schulter, den Ri p pen, in der Flanke. Dazu taumelige Erschöpfung.
    Schritte verhallten in den Wohnstraßen. Mit leisem Blaulicht

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