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Lehmann, Christine

Lehmann, Christine

Titel: Lehmann, Christine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mit Teufelsg'walt
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kreiste ein Streifenwagen über den Urachplatz und hielt hinter Richards neben der Bushaltestelle gegen die Fahrtrichtung aufs Mäuerchen gesetzter Limousine, deren Motor immer noch lief.
    Hatte also einer der Anwohner wegen des Lärms auf dem Spielplatz die Polizei gerufen.

32
     
    »Gott, Sie sehen ja fürchterlich aus!«, sagte Staatsanwä l tin Meisner, als sie in Richards Wohnzimmer trat. »Ble i ben Sie sitzen, bitte!«
    Im Stadtkessel, den man von den Fenstern aus sah, leuchtete die Sonne den zweiten Advent aus. Das Son n tagsgeläut war schon lange durch, der Mittagsbraten vo r bei. Spaziergänger zogen die Alte Weinsteige hinab.
    Ich blieb sitzen und betastete die Schwellungen in meinem Gesicht und rund um die von meinen eigenen Fingernägeln zerkratzte Strangulationsfurche.
    Meisner ließ sich in einen von Richards Clubsesseln fallen. »Also ich könnte jetzt einen Schnaps vertragen.«
    Aber Richard hatte nur Kaffee oder Fencheltee.
    »Ist sicher vernünftiger«, resignierte die Staatsanwä l tin mit verstopfter Nase und Bellhusten in der Lunge. »Hauptsache heiß. Also Fencheltee.«
    Richard stand auf und ging in die Küche. Mit Alena auf dem Arm und gefolgt von Cipión .
    »Hat er überhaupt geschlafen?«, fragte Meisner leise.
    »Doch ja, zwei Stunden vielleicht.« Nachdem die P o lizei ihm seinen Wagen gebracht hatte, hatte er mich im Marienhospital abgeholt. Mit der Nachricht, dass die P o lizei Katarina und Jovana auf der Straße aufgegriffen ha t te. Nachts um drei zu Fuß auf Stuttgarts öden Straßen hatten zwei Mädchen keine Chance. In so was war die Polizei unschlagbar.
    Kein Wort hatte er über die Blessuren seines Daimlers verloren, aber als er mein zerschrammtes Gesicht über der violetten Strangulationsmarke sah, hatte er hart und heftig den Arm um mich gelegt und mit unüblich bebe n der Stimme gemurmelt: »Mach das nie wieder, hörst du!« Mit Alena zwischen uns hatten wir uns dann für ein paar Stunden auf sein klösterliches Bett gelegt.
    »Ich habe immerhin vier Stunden geschlafen«, ve r kündete Meisner. »Was für eine Nacht! Depper mussten wir auch wieder freilassen. Sie haben uns da ja ein ganz schönes Ei gelegt, Frau Nerz. Aber so wie ich das sehe, haben Sie Depper damit sogar das Leben gerettet. Ich schätze, die Mädels sind von ihrem Vorhaben – welches das war, mag ich mir gar nicht vorstellen – abgerückt, als sie die Polizei sahen, die in der Liststraße gewartet hat, bis Depper ankam. Sie hätten leichtes Spiel mit ihm g e habt, so betrunken, wie er war. Aber die Verhaftung hätte ich mir doch gern gespart.«
    »Ich denke, sie wollten nur Geld von ihm«, sagte R i chard, der leise mit Alena auf dem Arm und gefolgt von Cipión zurückgekommen war und der Staatsanwältin nun ein Glas Fencheltee reichte. »Vorsicht, heiß!«
    Er setzte sich wieder, zippelte Alena den Kragen des Stramplers aus dem Gesicht und fuhr ihr über den dun k len Schöpf.
    »Geld?«
    »Ich denke, sie wollten ihn einfach nur erpressen.«
    Meisner schüttelte den Kopf. »Einfach nur … Was geht in diesen Jugendlichen vor?« Sie pustete über den Tee. »Da fällt einem wirklich nichts mehr ein!«
    Richard war, seit er mich aus dem Krankenhaus geholt hatte, nicht fähig, irgendetwas zu sagen. Kein Warum war seinen verbissenen Kiefern entschlüpft. Bei Mante u fel hatte er sich noch lauthals ärgern können, dass er ihm je die Hand gegeben hatte, aber Katarina hatte neben ihm auf meinem Sofa gesessen, er hatte tröstend den Arm um sie gelegt, er war mit ihr in Metzingen shoppen gewesen, er hatte sich Mühe gegeben, ihr zu zeigen, dass sie ihm was wert war.
    »Und?«, fragte ich die Staatsanwältin. »Haben sie g e standen?«
    Meisner wärmte sich die Hände am Teeglas und schü t telte immer noch den Kopf. »Katarina schweigt behar r lich. Mit der werden wir noch viel Freude haben. Wah r scheinlich steht ihr eine glänzende Karriere als Serient ä terin bevor. Aber Jovana wird bald reden. Sie war nicht die treibende Kraft, sondern Mitläuferin. Die reden, die erleichtern ihr Gewissen irgendwann.«
    »Und was passiert mit ihnen? Einsperren kann man sie ja nicht.«
    Meisner presste einen ersten Schluck die erkältete Kehle hinunter und zuckte mit den Achseln. »Viele Mö g lichkeiten haben wir ja wirklich nicht, wenn Kinder stra f fällig werden. In Baden-Württemberg gibt es zwei Heime für eine GU, also eine geschlossene Unterbringung von Mädchen. Und damit stehen wir im Ländervergleich noch gut da.

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