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Lehmann, Christine

Lehmann, Christine

Titel: Lehmann, Christine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mit Teufelsg'walt
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brachte, und zuckte mit den Schu l tern. »Eine zufällige Koinzidenz der Ereignisse. So was kommt vor.«
    »Ja, Richard. Es kann auch vorkommen, dass die Lot t o trommel genau die Zahlen auswirft, die ich auf dem Schein angekreuzt habe, auch wenn die Wahrscheinlic h keit bei 1 zu 14 Millionen liegt. Aber dass ich die z u ständige Familienrichterin an dem Abend des Tages pe r sönlich kennenlerne, an dem bei mir im Haus das Ju gen d amt eine Kindsentführung versucht, das ist ein Z u fall, bei dem die Wahrscheinlichkeit bei 1 zu unendlich liegt.«
    »Also bei null«, klugscheißerte er und versank im nächsten Augenblick im Schwachsinn gurrender Laute. »Babela!«, säuselte er und schüttelte das leere Fläsc h chen vor Alenas Stauneaugen. »Alle, alle. So, und jetzt m a chen wir fein ein Bäuerchen.«
    Er würde es mir nicht sagen. Er hatte mir auch nie die Rolle erklärt, die er in den staatlichen Ermittlungsbehö r den tatsächlich spielte und hinter dem biederen Titel Oberstaatsanwalt für Wirtschaftsstrafsachen beim Lan d gericht Stuttgart verbarg. Ein Titel, der es ihm erlaubte, in fast ganz Baden-Württemberg seine Nase in Verfahren zu stecken, die mit Geld zu tun hatten. Bei der Polizei nannte man so was Dezernat für Interne Ermittlungen. Da ging es um Korruption und Gewaltexzesse, Droge n delikte oder Kinderpornokonsum innerhalb der Staat s macht.
    Ich stand auf, ging zur Tür und versenkte meine Hand in den Taschen meines Parkas, der neben der Tür hing. »Kennst du eigentlich Sonjas Mann?«
    »Er ist Anwalt.«
    »Das sagtest du schon. Hast du schon mal mit ihm zu tun gehabt?«
    »Er war mal Strafverteidiger, soviel ich weiß, aber i n zwischen ist er Fachanwalt für gewerbliches Recht und Handelsrecht.«
    »Also einer von denen, die auch deine steuerhinterzi e hende Kundschaft beraten? Kennst du ihn persönlich?«
    »Frau Depper hat ihn mir mal vorgestellt, als er sie abholte.«
    »Und du hast nicht zufällig das dringende Bedürfnis, ihm einen Kondolenzbesuch abzustatten?«
    Richard schaute mich an.
    »Gewaltverbrechen werden meist innerhalb der Fam i lie begangen«, ergänzte ich.
    »Dann wird die Polizei das herausfinden, Lisa. Auße r dem muss ich jetzt dem Jugendamt einen Besuch absta t ten.«
    So!, dachte ich, ist sie dir doch schon zu viel? Willst du die Kleine schon loswerden? Und der Zettel? Ve r flucht, wo war der nur?
    »Nimmst du mich mit?«, fragte ich.

9
     
    Wer die Hilfe des Jugendamts brauchte, kam wahrschei n lich nicht mit dem Auto. Denn Parkplätze gab es keine. Weil Alena schrie, sobald Richard sie ablegte, hatte ich seine Limousine fahren müssen dürfen und durfte jetzt durch die Straßen des Gerberviertels kurven, an den Ko n sumparkplätzen der Tübinger Straße entlang, wo die einzig freie Parknische vor dem Alnatura nicht zum Pa r ken, sondern nur zum Halten fürs Be- und Entladen g e dacht war – die Polizeihelferin patrouillierte schon –, zurück übers Kopfsteinpflaster der Nesenbachstraße, dann Christophstraße, wieder Tübinger Straße, schlie ß lich dann halt doch ins Parkhaus unter der Paulinenbr ü cke.
    Als wir bei der Glastür der gelbgerahmten Glasfassade gegenüber der Krimibuchhandlung Under-Cover und in Sichtweite der Polizeidienststelle hinterm Tagblattturm anlangten, waren die eng und streng begrenzten Sprec h zeiten schon beinahe rum.
    »Allgemeine Öffnungszeiten«, sagte ein Schild klei n gedruckt und missmutig, »Montag bis Freitag 9-12 Uhr, Montag und Donnerstag 14-15:30 Uhr. Beistandsscha f ten, Pflegschaften, Vormundschaften, Montag bis Do n nerstag 9-12 Uhr, Montag und Donnerstag 14-15:30 Uhr, Ber a tungszentrum: Montag bis Mittwoch 9-16, Donner s tag 9- 18, Freitag 9-12:30 Uhr, Unterhaltsvorschüsse Montag und Donnerstag, telefonische Erreichbarkeit: Montag bis Donnerstag 9-12 Uhr, Pflegekinderdienst, Termine nach Vereinbarung.«
    »Und was haben wir heute?«
    »Donnerstag«, antwortete Richard.
    Eine Mutter mit zwei Zwergen strebte dem Ausgang zu. Die Treppe war luftig und führte nach oben. Eine junge Frau kam uns entgegen.
    Richard lächelte sie an. »Wo finden wir denn Frau Hellewart?«
    Die Frau stoppte. »Worum geht es denn?«
    »Um ein Kind.« In seinem Kamelhaarmantel über Schlips und Kragen und zugleich mit Säugling im Arm passte Richard genauso wenig in irgendein Raster wie meine Scheußlichkeit in Parka, Springerstiefeln, Jeans und kurzem Karorock darüber. Vater mit Tochter und Enkel, dachte die junge Beamtin in weißer Bluse und

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