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Lehmann, Christine

Lehmann, Christine

Titel: Lehmann, Christine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mit Teufelsg'walt
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Mädchen wollte sich der Ma ß nahme entziehen, Depper hat sich aus irgendeinem Grund, der noch zu klären ist, mit ihr getroffen. Es kommt zum Streit, zum Handgemenge, sie stürzt mit dem Kind.«
    »Und die Mutter hätte ihr Kind hernach bei der Leiche liegen lassen?«
    »Sie hat einen jesusmäßigen Schreck bekommen … Und sie hätte die Tote umdrehen müssen.«
    Christoph lachte nur.
    »Na gut! Einen Versuch war es wert.«
    »Ich sag’s den Kollegen. Komm bei Gelegenheit mal wegen eines Phantombilds vorbei.«
    Etwas mehr Enthusiasmus hätte es sein dürfen, fand ich. Aber vermutlich wollte Christoph nur wieder d e monstrieren, wie wenig er zu melden hatte. Oder sein Familienleben machte ihm gerade wenig Spaß, mit einem Schreihals daheim und einer Frau, die nicht einsah, dass sie alleine zuständig war. Bethe war so ein Typ.
    Ich beendete das Gespräch und rief Sally in der R e daktion an.
    »’s geht gerade nicht, Konferenz!«, raunte sie dicht am Hörer.
    »Ich wollte nur sagen, dass ich mit Senta draußen war, das heißt, noch bin.«
    »Okay.«
    »Was ist los, Sally?«
    Sie schnaufte und flüsterte: »Wenn du Richard mit dem Baby allein lässt, dann brauchst du dich bei mir gar nicht wieder zu melden!«
    »Oh!« Ich musste lachen. »Hat er sich bei dir b e klagt?«
    »Wenn du glaubst, dass Richard sich beklagen würde, dann kennst du ihn aber schlecht, Lisa!«
    »Aber du kennst ihn, ja?«
    »Ich kenn vor allem dich! Du denkst nur an dich selbst. Überall mischst du dich ein, aber wenn man dich braucht, bist du nicht da. Überspann den Bogen nicht, Lisa!«
    Ärger fegte mir den Verstand aus dem Hirn. »Was für eine gequirlte Scheiße! Du klingst wie meine Mutter!«
    »Vielleicht hat sie ja recht, Lisa! Überleg dir das mal!«
    »Sally, ich verdanke dir mein Leben … ach nein, das war einmal! Und selbst wenn es so wäre, das gibt dir noch lange nicht das Recht, dich wie meine Mutter au f zuführen. Ich habe nämlich schon so eine, die daheim auf mich lauert!«
    Sally legte auf.
    Verdammt, ich hatte »daheim« gesagt.

14
     
    Was genau warf Sally mir vor? Nun schon seit Monaten. Wenn ich Richard hinterherrannte und sie dafür stehen ließ, war sie tödlich beleidigt, wenn ich nicht alles stehen und liegen ließ, um ihm hinterherzulaufen, hielt sie mich für ein Beziehungsschwein. Was für ein Problem hatte sie eigentlich? Wie verdammt noch mal ticken Frauen? War Sally etwa in Richard verknallt oder was? Ich mus s te lachen. Darauf hätte ich schon eher kommen können. Er war ihr Typ, gepflegt, elegant, gut riechend, wohlh a bend, mächtig. Und wenn er mit einem ungebildeten Biest wie mir um die Häuser zog, warum dann nicht auch mit ihr, Sally. Sie war langhaarig und blond und besaß deutlich mehr weibliche Grundmuster im Verhalten als ich. Sie hätte ihn pfleglicher behandelt, mit der Bewu n derung, die sich ein intelligenter Bullterrier wie er wünsc h te. Was hatte ich, was sie nicht hatte, fragte sie sich seit Jahren. Mich hatte er an sich herangelassen, sie nicht. Und ich hatte es ihm gelohnt mit Undankbarkeit, Re s pektlosigkeit und Grausamkeit. Ja, das war’s, was nur ich konnte. Vermutlich würde Richard erst von mir la s sen, wenn ich seine zweifellos billigen Erwartungen einmal nicht en t täuschte, wenn sein Ringen um meine Anerkennung für ihn, den Gerechten, einmal Erfolg ha t te. Dann konnte er sich zurücklehnen und sagen: »G e schafft! Jetzt hat sie es endlich eingesehen.« Und ich war ihn los.
    Ich überquerte die Hackstraße an der Tankstelle, pa s sierte die Bankfiliale für Wenigabheber und den Bäcker für Vesperbrötchen und bog in die Neckarstraße ein. Bei Flimse gab es heute Wäscheleinen im Wühlkorb.
    Staatsmacht auf der einen und öffentlicher Nahverkehr in der Mitte, das drängte die roten und gelben Ziegelfass a denhäuser mit den Schaufenstern von Döner, türk i schem Discounter, Self-Service-Bäcker, Handydealer und Biol a den im Hinterhof ins Kreuzbergerische ab. U n ter den Scheibenwischern der Autos in den Seitenbuchten beu l ten sich die Strafzettel. Denn anders, als man dachte, war die Hälfte der frisch asphaltierten Abstellplätze nur für dre i minütiges Halten zum Be- und Entladen da. Eine Gol d grube für Politessen.
    Warum eigentlich, fragte sich meine Denkmaschine nebenbei, hatte Celine sich nicht bei einer Schulkamer a din ein Handy geliehen und ihre Eltern mal angerufen?
    Senta sah nicht aus, als würde sie den langen Weg die Urbanstraße hinauf noch

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