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Lehmann, Sebastian

Lehmann, Sebastian

Titel: Lehmann, Sebastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Genau mein Beutelschema
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sage ich gähnend. Was für ein Tag! Oder Nacht. Oder was weiß ich.
    Wir fallen nur noch erschöpft in Christinas Bett. Ich solltejetzt nicht mehr schlafen, heute darf ich auf keinen Fall zu spät zur Arbeit kommen, denke ich, und meine Augen fallen zu, schließlich muss ich heute den Artikel abgeben – und davor auch noch schreiben. Jetzt bloß nicht einschlafen, denke ich wieder, nicht einschlafen, nicht …

    »Mark.« Eine Stimme aus weiter Ferne.
    »Mark.« Christinas Stimme. »Marky Mark!«
    Ich öffne langsam meine Augen. Christinas Gesicht in Großaufnahme direkt vor mir. Scheiße, ich bin doch eingeschlafen. Hoffentlich nur ein paar Minuten.
    »Ich habe etwas Schreckliches geträumt«, sage ich.
    »Ach, komm jetzt. Nicht dieses Klischee: Oh, ich dachte, ich hätte das alles nur geträumt, aber in Wahrheit war es die Realität. Wir sind hier nicht bei Kleist, und du bist auch nicht der Prinz von Homburg?«
    Ich verstehe kein Wort von dem, was Christina da gerade sagt, es ist einfach noch viel zu früh. Aber ich würde es später am Tag wahrscheinlich genauso wenig verstehen.
    »Es ist wirklich passiert. Was machen wir denn jetzt? Wir sind doch noch viel zu jung. Also, du jedenfalls.«
    Christina sieht mich misstrauisch an. »Wofür zu jung?«
    »Für ein Kind. Außerdem kennen wir uns doch erst seit ein paar Wochen?«
    »Hast du etwa geträumt, dass ich schwanger bin?«, fragt sie und zieht eine Augenbraue hoch.
    »Du hast doch gesagt, es sei kein Traum!«
    »Und was soll daran bitte schrecklich sein, wenn ich schwanger wäre? Ich dachte, du findest Babys niedlich?«
    »Darum geht es doch jetzt gar nicht. Wir müssen doch erst einmal klären, ob du überhaupt schwanger bist.«
    »Du bist wahnsinnig geworden!« Christina zündet sich empört eine Zigarette an. Für alle, die nicht glauben, dass man empört eine Zigarette anzünden kann: Es geht wirklich, Christina kann das.
    »Du bist also nicht schwanger?«
    »Nein. Nicht, dass ich wüsste. Komisch, was du so träumst.«
    Ich versuche, neutral zu schauen und nicht laut aufzuatmen. Es klappt nicht. Beides. Zum Glück denkt Christina schon wieder an etwas anderes, manchmal ist das ganz gut mit ihrer kurzen Aufmerksamkeitsspanne.
    »Dr. Alban ist verschwunden. Er ist den ganzen Tag nicht nach Hause gekommen, und sein Handy ist immer noch aus.«
    »Was heißt hier den ganzen Tag? Es ist doch erst Morgen.«
    »Schau mal auf die Uhr.«
    Ich schaue auf mein Handy, das seltsamerweise auf meiner Stirn liegt, wie ich erst jetzt bemerke. Es ist halb sieben abends.
    Ich springe entsetzt auf und merke, dass ich noch meine Kleider von gestern anhabe oder von vorgestern oder wie viele Tage inzwischen vergangen sein mögen, mir ist jegliches Zeitgefühl abhandengekommen. »Aber ich hätte doch heute Javier meinen Artikel geben sollen.«
    »Ach, ich hab mit dem Boss gesprochen, es ist alles kein Problem, Javier ist anscheinend ungeplant auf eine Recherchereise in die Sächsische Schweiz gefahren. Du kannst dir mit dem Artikel noch Zeit lassen.«
    »Du hast mit dem Boss gesprochen? Und was macht Javier in der Sächsischen Schweiz?« Ich muss an den verrücktenGary denken und lasse mich wieder auf die Matratze fallen. Jetzt ist es ohnehin egal, let it flow.
    »Der Boss hat auf deinem Handy angerufen, und ich bin rangegangen. Ich dachte, es wäre vielleicht wichtig, und du warst einfach nicht wachzukriegen. Keine Ahnung, warum Javier in die Schweiz gefahren ist, das hat der Boss nicht gesagt.« Christina setzt sich neben mich auf die Matratze, und im Gegensatz zu mir riecht sie sehr gut, frisch geduscht und nur ein ganz klein wenig nach Tabak und Club Mate. »Der Boss ist übrigens ganz nett, er hat mir gleich ein Praktikum angeboten.«
    »Ein Praktikum angeboten?«
    »Jetzt wiederhol doch nicht immer alles, was ich sage.«
    Ich denke an die zwei Praktikanten, die heute wohl allein das Kleinanzeigenbüro schmeißen mussten. Wahrscheinlich bekommen sie das sogar besser hin als ich. Es klingelt an der Tür, Christina verschwindet in den Flur und kommt zwei Minuten später mit zwei Plastikboxen zurück ins Zimmer.
    »Ich hab von so einem neuen veganen Asia-Imbiss in der Weserstraße Essen für uns bestellt.«
    »Und du willst jetzt ein Praktikum bei uns machen?«
    »Natürlich nicht. Ich hatte gerade davor ja noch mit meinen Eltern geskypt.«
    »Mit deinen Eltern geskypt?« Ah, schon wieder. Christina verdreht die Augen. »Wer skypt denn bitte mit seinen Eltern, ich bin ja froh,

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