Lehrerkind
freuten, sich auf Befehl irgendeines dahergelaufenen Knilchs mit Mütze in den Dreck zu werfen und das Vaterland zu verteidigen. Auf meiner Seite saßen ein paar ungekämmte, rauchende Alternative mit fettender Gesichtshaut, die Mitglied bei Greenpeace waren und lieber ein Dixiklo ausgetrunken hätten, als sich von Vater Staat an die Waffe klemmen zu lassen. Da fühlte ich mich wohl, uns alle verband die gleiche Vorausahnung der nächsten paar Stunden, in denen uns ein paar stoische Doktoren wie Nutzvieh betrachten und uns den brennenden Stempel »Wehrpflichtig« oder »Nicht wehrpflichtig« auf den pickligen Hintern brennen würden. Vorher musste man allerdings noch einen Becher vollmachen und ihn in eine kleine Durchreiche stellen, die mit einem mintfarbenen Vorhang abgehängt war.
Selten war mein phantasiebegabtes Hirn mit seiner Prognose so nah an der Wirklichkeit gewesen. Allein das stramme Gesicht des Amtsarztes, das mich ausdruckslos betrachtete, als ich mich durch die Tür des Behandlungszimmers schob, erfüllte schon alle meine Erwartungen. Der Raum hatte das Flair eines Schlachthofs, der Mann, der mich dort so träge beäugte, hätte hauptberuflich auch mit einer Kreissäge Schweinehälften zerteilen können.
Begrüßungslos stellte er sich vor mich, schob seinen Spatel in meine Nasenlöcher, in meine Ohren und den Mund und befahl mir, laut »Aaah« zu sagen. Dabei prügelte er mir einen metallenen Stiel so tief in den Rachen, dass er auf meinem Zäpfchen »Alle Vöglein sind schon da« hätte trommeln können. Kurz bevor ich den Arzt reflexartig in einen Schwall aus warmer Kotze badete, zog er den chemisch schmeckenden Spatel wieder aus meinem Mund und trug mir auf, mich zu entkleiden.
Da stand ich nun, nackig, wie Gott mich verplant hatte, die trüben Mauern des Amts waren in einem fahlen Weiß gestrichen, das kaum einen Kontrast zu meinem kalkfarbenen Leib bildete. Das klamme Licht der Medizinerlampen hob jede noch so kleine Unebenheit, jede noch so schmale Falte an meinem Körper hervor, ich sah mich selbst im Spiegel und bekam einen Verdacht, worin meine noch immer bestehende Jungfräulichkeit begründet lag. Der Arzt klopfte meinen Brustraum ab und fragte, ob ich Raucher sei.
»Nein, warum?«, fragte ich konsterniert, außer ein paar Tüten auf Partys hatte ich mit Rauchen nicht viel am Hut.
»Aha«, erwiderte er emotionslos, und ich sah ihn schon auf dem Anamnesebogen das Kreuzchen für »Tuberkulose« setzen.
»Beugen Sie sich mal kurz vor«, wies er mich strikt an. Was genau das Vaterland zwischen meinen Pobacken zu entdecken hoffte, wird mir wohl ewig ein Rätsel bleiben.
Es schien dort jedenfalls alles am rechten Platz, es war kein zweites Arschloch festzustellen. Dann folgte, was man in der Medizinersprache EKG nennt, der Eierkontrollgriff, bei dem der Arzt mit Gummihandschuhen bewaffnet die Hosenklötze abtastet. Seine Hände fühlten sich tot und kalt an, in den wenigen Sekunden der Begutachtung verschrumpelte mein bisschen Männlichkeit vor Schreck über die frostige Atmosphäre zu einem Paar Rosinen.
Er wies mich gleichtönig an, kurz zu husten, was ich ordnungsgemäß tat und wobei auch mir auffiel, dass mein Atem rasselnd klang.
»Ihre Werte sind so weit in Ordnung«, nuschelte er mir mit Blick auf die Auswertung meines Urins dann undeutlich zu. »Grundsätzlich kann ich Ihrer Befähigung zum Ersatzdienst nur zustimmen.«
Oh Mann, ich hatte die stille Hoffnung gehabt, der verkleidete Metzger würde wenigstens genug Fachkenntnis besitzen, um zu erkennen, dass der mangelhafte Klops, der da kurz vorm Siechtum stand, eigentlich für nichts zu gebrauchen war, weder für den Dienst an der Waffe noch an der Bettpfanne. Also musste ich meine Geheimwaffe herausholen, die ich für den Fall der Fälle in meiner Jackentasche verstaut hatte.
»Herr Doktor, ich habe hier ein Attest über ›psychosoziale Anpassungsstörungen‹, wenn Sie sich das mal ansehen wollen.« Der Arzt schaute so verdutzt, als hätte ich gesagt: »Herr Doktor, ich habe hier fünf Kilo waffenfähiges Uran, wenn Sie sich das mal ansehen wollen?«
Ich drückte ihm den kleinen Zettel in die Hand und betete inständig, dass Deutschland keine attestiert Schwergestörten wie mich auf seine Pflegebedürftigen losließ.
»Mmh«, grunzte der Arzt, stumpf fuhr sein Blick über das Blatt Papier.
»Sagen Sie mal, ist Diebstahl richtig oder falsch?«, fragte er mich völlig unvermittelt und begradigte seinen Mund zu einem
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