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Lehrerzimmer

Lehrerzimmer

Titel: Lehrerzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Orths
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feucht und knittrig entgegenstarrte. Mein Herz schlug schneller, als ich in einem die Welt für mich an diesem Morgen aus den Fugen hebenden Akt ein zweites Mal an dem Handtuch zog, sodass sich dem nächsten Benutzer des Waschbeckens ein reines, sauberes, unverfängliches Stück Handtuch darbot. Solcherart beflügelt verließ ich die Toilette und machte mich auf den Weg zur Bibliothek, wo ich einen Platz vor einem der leer geräumten Regale einnahm und versuchte, meine am vergangenen Abend geleisteten Vorbereitungen zu rekapitulieren. Pascal und ich hatten die erste Stunde frei, und er half mir sehr, indem er die von mir benötigten Schulbücher auf seinem Lehrerleihausweis für mich aus der Lehrerbibliothek auslieh.
    Nach der ersten von mir an diesem Morgen gehaltenen Stunde in der 5a stürmten die Schüler an mir vorbei in die große Pause, und ordnungsgemäß verriegelte ich die Tür, nicht ohne mich zu vergewissern, dass ich keinen der Schüler versehentlich eingesperrt hatte. Ich stieg die Treppen hoch und traf auf dem Gang zum Lehrerzimmer Frau Klüting, die mich ansprach und nach meiner Meinung fragte. Meine Meinung wozu, bitte? fragte ich zurück. Welches Lehrwerk, sagte sie, G2000 oder Greenline , Cornelsen oder Klett, Sie wissen doch, heute Nachmittag, Fachkonferenz, gleich im Anschluss an das Lehrerfoto. Ach so, sagte ich, ja, ich bin natürlich für G2000 . Sehr gut, sagte Frau Klüting, und Ihre Gründe? In diesem Augenblick trat Höllinger aus dem Lehrerzimmer auf den Gang, ungefähr drei Schritte neben uns. Herr Kleible, rief er einen der gerade an uns vorbeigehenden Lehrer zurück. Ja? fragte dieser. Frau Klüting und ich blieben auf dem Gang stehen und sprachen weiter über die Vorteile des G2000 -Buches. Da wir aber beide viel mehr auf das Gespräch achteten, das sich unmittelbar neben uns zwischen Kleible und Höllinger entwickelte, waren wir in unserem eigenen Gespräch nicht ganz auf der Höhe, und die Argumente, die wir uns gegenseitig aufzählten, dienten mit der Zeit nur noch dem einzigen Ziel, unsere Anwesenheit auf dem Gang unauffällig zu verlängern. Hatten wir zunächst mit dem Hinweis auf die besseren Texte, Übungsformen und Bilder noch sachlich und kompetent auf die Stärken des Cornelsen-Buches hingewiesen, fielen uns irgendwann keine weiteren Vorzüge mehr ein, und ich sagte plötzlich, die Farbe der Titelbilder sei ansprechender, genau, hakte sich Frau Klüting ein, außerdem sei der Einband fester, nicht so brüchig, richtig, bestätigte ich sie, und man könne den Plastikschutzumschlag besser um den Karton legen, fügte ich hinzu, ja, sagte Frau Klüting, und die Cornelsen-Vertreter seien wesentlich sympathischer als die trockenen Klett-Männer, genau, sagte ich, und das Schwarz des Druckes sei um eine Nuance schwärzer als das von Greenline , so sei es, sagte Frau Klüting, und überhaupt, das Schriftbild erschiene ihr irgendwie runder als bei Klett, ja, nickte ich, das th sei wesentlich authentischer, irgendwie lesbarer. Als in diesem Augenblick das Gespräch zwischen Höllinger und Kleible abrupt endete, konnten auch Klüting und ich, ein wenig peinlich berührt, auseinander gehen, also dann, bis heute Mittag, sagte Frau Klüting, bis dann, sagte ich.
    Der Direktor hatte also Kleible auf dem Gang erwischt und den Dialog begonnen mit den Worten, ob er, Kleible, wisse, wie spät es sei? Kleible hatte sich nicht aus der Ruhe bringen lassen und geantwortet, ja, das wisse er ganz genau, wenn er hier auf seine Uhr sehe, so sei es soeben neun Uhr vierundzwanzig geworden. Der Direktor hatte im selben Tonfall weitergefragt, ob er, Kleible, wisse, was sich gewöhnlich an dieser Schule um neun Uhr vierundzwanzig abspiele? Kleible hatte vollkommen ernst und nüchtern geantwortet, klar wisse er das, die große Pause habe vor genau vier Minuten begonnen. Richtig, hatte Höllinger triumphiert und weitergeforscht, ob er, Kleible, wisse, welcher Tag heute sei? Das sei einfach zu beantworten, hatte Kleible das Spiel mitgespielt und gesagt, Dienstag, das wisse er genau, da gestern der erste Schultag gewesen sei. Gut, hatte der Direktor gestrahlt und dann weitergefragt, ob er, Kleible, wisse, wer in diesem Schuljahr dienstags in der großen Pause zur Hofaufsicht eingeteilt sei? Kleible hatte nun seinerseits gestrahlt und in aller Gelassenheit gesagt, selbstverständlich wisse er das, er, Kleible selber, sei zur Hofaufsicht eingeteilt, jeden Dienstag in der ersten großen Pause, das habe er dick

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