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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Weiss wie die Unschuld
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schmeichelte mir natürlich, denn außer Annes Vater und dem Jungen, in den ich als Schü-
    lerin verliebt war, hatte mir noch nie jemand gesagt, ich sei schön.
    Zwei Wochen nach der Abiturfeier wurden wir getraut. Zur Hochzeit kamen nicht nur alle Dorfbewohner, sondern auch zahlreiche Glaubensbrüder aus ganz Nordostbottnien. Ich war stolz darauf die Frau eines so bekannten und angesehenen Mannes zu werden, und fühlte mich an jenem Tag wie eine Königin. Mein Kleid war blütenweiß und eng anliegend, und es war mir gelungen, meine Haare so frisieren zu lassen, dass ein paar wilde Löckchen unter dem Schleier hervorlugten. Den Lippenstift, den Anne mir geschenkt hatte, wagte ich jedoch nicht zu benutzen, so gern ich es getan hätte.
    Auf das, was am Abend geschah, war ich gänzlich unvorbereitet. Unser Biologielehrer war strenggläubig und tat die Sexualaufklärung mit den Worten ab, dieses Thema gehöre in die Ehe. Meine Mutter hatte gesagt, es sei die Aufgabe des Mannes, mich anzuleiten. Aus hier und da aufgeschnappten Sätzen und heimlich durchgeblätterten Zeitschriften hatte ich mir manches zusammengereimt, doch es ist ein Unterschied, ob man etwas liest oder es persönlich erlebt. Im Nachhinein ist mir klar geworden, dass Leevi sexuell sehr erfahren war, er hatte es nicht für nötig befunden, unberührt in die Ehe zu gehen.
    Ich war nicht vorbereitet auf den Schmerz, auf das Blut und auf die Scham, die ich empfand, als er meinen Körper an Stellen berührte, die ich seit Jahren selbst vor meiner Mutter verbarg. Dies geschah nun Abend für Abend, die Blutung hörte auf und nach einigen Wochen auch der Schmerz. So lernte ich, die sexuellen Bedürfnisse meines Mannes zu ertragen. Offenbar wurde ich bereits in den ersten Wochen der Ehe schwanger, mein erstes Kind, Johannes, wurde Ende März geboren, eine Woche nach meinem neunzehnten Geburtstag.
    Im November war ich erneut schwanger, und seither bestand mein Leben aus Schwangerschaft, Stillen, Kinderhüten und Hausarbeit. Leevi war häufig unterwegs, um auswärts zu predigen, und obwohl meine Mutter, meine Schwester und meine Schwiegermutter mir halfen, hatte ich selten eine freie Minute. Meistens fiel ich abends völlig erschöpft ins Bett.
    Nach der Geburt meines fünften Kindes, Matti, machte ich eine Entdeckung, über die zu berichten mir schwer fällt. Matti war groß, er wog bei der Geburt neun Pfund, und ich hatte untenherum einen schlimmen Riss. Beim Abduschen der Narbe merkte ich, dass es mir Genuss bereitete, den Duschstrahl auf bestimmte Stellen zu richten und mich dort zu berühren. Ich entdeckte die Sünde der Selbstbefriedigung, die ich nie ge-beichtet habe. Offenbar begann sich diese Sünde auszuwirken, denn ich hatte immer häufiger rebellische Gedanken. An meinem fünfundzwanzigsten Geburtstag verspürte ich zum ersten Mal den Wunsch davonzulaufen. Ich träumte davon, mit dem Bus nach Oulu zu fahren, Make-up und neue Kleider zu kaufen, in einem Restaurant etwas zu essen, das jemand anders für mich gekocht hatte, und in einem Bett zu schlafen, dessen Laken andere gewaschen hatten. Natürlich lief ich nicht davon, ich hing viel zu sehr an meinen Kindern. Nach außen hin war ich die fleißige, demütige Frau des Predigers, die ihre Kinder im Glauben erzog. Ich fand es schrecklich, meine Kinder für ihre natürliche Neugier, zum Beispiel gegen-
    über ihrem Körper, zu bestrafen und ihre Phantasie zu zügeln.
    Es war mir nicht recht, dass sie ebenso unwissend und verklemmt werden sollten wie ich. Bei meiner achten Schwangerschaft gab es bereits Probleme. Ich war anämisch und hatte mehrmals alarmierende Blutungen. Meine neunte Schwangerschaft war vom Anfang bis zum Ende gefährdet.
    Meine Gebärmutter war der ständigen Belastung nicht mehr gewachsen und drohte zu reißen. Im Frühjahr 1994 lag ich mehr als zwei Monate lang in der Frauenklinik in Helsinki, wo sich mir eine ganz neue Welt auftat.
    Ich war noch nie länger als eine Woche fort gewesen und sehnte mich ganz entsetzlich nach meinen Kindern. Dennoch genoss ich es, im Bett zu liegen und bedient zu werden. Niemand kontrollierte mich. Ich konnte lesen, was ich wollte, und sogar fernsehen. In diesen Monaten verstieß ich gegen viele Gebote unserer Religion, lernte jedoch viele verblüffende Dinge. So erfuhr ich zum Beispiel, dass das wundervolle Gefühl, das sich einstellt, wenn man sich untenherum reibt, Orgasmus heißt.
    Bei der Geburt meiner Tochter Maria schwebte ich in Lebensgefahr, und

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