Lehtolainen, Leena
Problem deiner Sicherheit …« Taskinen verzog den Mund und rieb sich die Nase. So hatte ich ihn noch nie erlebt.
»Wegen Halttunen, meinst du? Der wird mich kaum bis nach Oulu verfolgen!«
»Wir haben im Moment keinerlei Erkenntnisse über seinen Aufenthaltsort. Gestern sind zwei Banken überfallen worden, eine in Hattula und eine in Teisko. Die Aufnahmen der Überwa-chungskameras geben Anlass zu der Vermutung, dass es sich bei einem der beiden Täter um Halttunen handelt. Der Tathergang erinnert außerdem an den Überfall auf die Postsparkasse in Soukka. Ström hat Palo und dir bestimmt mitgeteilt, dass Halttunen allem Anschein nach seinen eigenen Vater getötet hat.«
»Das hat sich also bestätigt?«
»Die Aussagen der Augenzeugen sind eindeutig. Es handelt sich um zwei Penner, Saufkumpane des Opfers. Sie waren dabei, als Halttunen ankam und mehr als zehnmal mit dem Messer auf seinen Vater eingestochen hat. Dann nahm er auch noch eine Säge zu Hilfe. Die beiden Zeugen waren betrunken und sind weggerannt, die Polizei haben sie nicht verständigt, aus Angst, selbst verdächtigt zu werden. Im Übrigen hatte Halttunen im Gefängnis mehrmals geprahlt, er würde ausbrechen, weil er einigen Leuten noch etwas heimzuzahlen hätte. Dabei hat er ausdrücklich gedroht, seinen Vater umzubringen.«
»Und anschließend Palo und mich, hab ich Recht?«
»Ja, euch hat er auch erwähnt, und dann noch den Staatsanwalt und den Richter. Wir dürfen das nicht auf die leichte Schulter nehmen. Du kennst Halttunen ja. Wir müssen davon ausgehen, dass ihr beide ernsthaft gefährdet seid.«
Ich zog die Schreibtischschublade auf und holte Holster und Revolver heraus.
»Ich hab ja den hier. Gegen Armbrustschützen und selbst gebastelte Bomben kann ich damit zwar nichts ausrichten, aber gegen sonstige Angriffe schon. Wenn ich schnell genug bin.«
»Bei Palo liegen die Nerven total blank. Er besteht darauf, dass ihr beiden vorläufig nicht zusammenarbeitet.« Ich konnte Taskinen am Gesicht ablesen, worauf Palos Vorschlag letztlich hinauslief: Im Zweifelsfall würde der pathologische Frauenhas-ser Halttunen zuerst auf mich losgehen.
»Ich könnte mit dem Nachtzug nach Oulu fahren, ich will mich nur vorher vergewissern, dass Säntti zu Hause anzutreffen ist.«
Taskinen blieb noch eine Weile und fragte mich nach dem Stand der Ermittlungen in der Rosberga-Sache und in zwei anderen Fällen, wobei ich allerdings den Eindruck hatte, er wollte vor allem meinen Geisteszustand überprüfen. Daher schaltete ich auf locker und burschikos und gab mich cooler, als ich war. Trotzdem kontrollierte ich meine Waffe sorgfältig, bevor ich sie in das Holster steckte und den Blazer darüber zog, und spielte sogar mit dem Gedanken, mir eine kugelsichere Weste geben zu lassen. Zum Glück stand mein Auto gut geschützt in der Polizeigarage. Auf dem Weg nach Tapiola, wo ich mich mit Niina Kuusinen treffen wollte, überlegte ich jedoch, ob Halttunen während der Nacht einen Sprengsatz mit Zeitzünder an meinem Wagen angebracht haben könnte.
Die städtische Musikschule, an der Niina Kuusinen unterrich-tete, befand sich im Kulturzentrum von Tapiola. In den Weihnachtsferien fand kein Unterricht statt, aber Niina hatte mir gesagt, sie würde im Grieg-Raum im vierten Stock üben. In der Bibliothek, die sich im selben Gebäude befand, war ich schon öfter gewesen, gelegentlich hatte ich auch Konzerte und Theateraufführungen im Kulturzentrum besucht, doch die Unterrichtsräume in den oberen Stockwerken waren mir fremd, und ich irrte eine Weile umher, bis ich endlich den richtigen Klassenraum fand. Aus dem Mozart-Raum war Klarinettenspiel zu hören und im Beethoven-Raum schien ein Klaviertrio zu üben, während aus dem Grieg-Raum eine schwermütige Polonaise von Chopin strömte, die mitten im Takt abbrach, als ich an die Tür klopfte.
In dem engen Klassenzimmer standen dicht beieinander ein Klavier und ein Flügel mit heruntergeklapptem Deckel.
»Habt ihr immer noch Fragen zu Elinas Tod?«, setzte mir Niina zu, bevor ich auch nur den Mund aufmachen konnte. »Ist der Fall nicht bald mal aufgeklärt?«
»Vorläufig wissen wir nur, dass Elina erfroren ist und bei ihrem Tod unter dem Einfluss einer Kombination von Alkohol, Schlafmitteln und Antibiotika stand, die eine Bewusstheitstrü-
bung und möglicherweise auch Bewusstlosigkeit herbeiführten.
Warst du diejenige, die ihr mit Dormicum gewürzten Whisky serviert hat?«
Niina schlug wie ein Kind die
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