Lehtolainen, Leena
wollte ich wirklich mit jemandem schlafen, jemanden ganz nah an mich heranlassen. Beim Konzert von Pojat wiegten wir uns Seite an Seite im Takt und sangen uns gegenseitig ins Ohr. Irgendwann fasste ich Karri impulsiv um die Taille, und er wehrte mich nicht ab, sondern legte ebenfalls seinen Arm um mich. Ich war glücklicher als je zuvor.
Gegen meine Nervosität trank ich zwei Gin Tonic. Es war schon drei Uhr nachts, als wir uns auf den Weg zu Elinas Wohnung machten. Ich hätte mir gewünscht, Hand in Hand zu gehen, doch Karri hatte die Hände in den Manteltaschen vergraben und wirkte nachdenklich. Dass ich vom Tanzen und den Drinks entsetzlichen Hunger bekommen hatte, wagte ich nicht zu sagen.
In Elinas Einzimmerwohnung gab es nur ein schmales Bett.
Karri sagte, darin könne ich schlafen, er werde sich auf den Fußboden legen.
»Geh du zuerst unter die Dusche, ich mache inzwischen die Betten zurecht. Magst du eine Kleinigkeit essen?«
Ich nickte und überlegte verzweifelt, ob ich Schlafanzug und Bademantel anziehen sollte oder die Kleider, die ich für den nächsten Tag eingepackt hatte. Beides kam mir unnatürlich vor.
Sollte ich mich nach der Dusche einfach in ein Badetuch hüllen?
Das war die verrückteste Alternative, also entschied ich mich für den Schlafanzug. Mich noch einmal zu schminken, fand ich auch albern. Karri musste mit meinem Gesicht im Naturzustand vorliebnehmen.
Als ich aus dem Bad kam, standen eine Platte mit Butterbroten und eine Flasche dunkler Rum auf dem Esstisch.
»Aus dem Vorrat meiner Eltern geklaut«, lachte Karri. »Die merken es nicht mal, wenn ich etwas mitgehen lasse. Magst du?«
Gerührt dachte ich, er wolle sich Mut antrinken, und sagte, ich würde einen kleinen Schluck mittrinken. Die Portion, die er mir eingoss, kam mir riesig vor. Ich nippte vorsichtig, in meiner Müdigkeit stieg mir das Getränk sofort zu Kopf. Es war ein angenehmes Gefühl. Während Karri duschte, aß ich drei Brote.
Er trug keinen Bademantel, sondern ein schwarzes T-Shirt und Boxershorts, von denen ich geflissentlich den Blick abwandte.
Während Karri ein Butterbrot verschlang und wenig sprach, wartete ich auf seinen nächsten Schritt, doch nichts geschah.
Verwirrt goss ich mir noch einmal reichlich Rum ein und überlegte mir, dass heutzutage auch Mädchen die Initiative ergreifen durften. Vielleicht war Karri nur zu schüchtern. Als ich gerade aufstehen und zu ihm gehen wollte, reckte er sich und sagte:
»Jetzt wird geschlafen, ich bin total kaputt.«
Nicht einmal »lass uns schlafen gehen«, sondern »jetzt wird geschlafen«. Es war, als hätte er mir einen nassen Lappen ins Gesicht geklatscht. Während er im Bad verschwand, um sich die Zähne zu putzen, genehmigte ich mir noch einen Rum. Als ich endlich ins Bett schwankte, wäre ich beinahe über Karri gestolpert.
Am nächsten Morgen hatte ich den ersten Kater meines Lebens. Es war entsetzlich, über einer fremden Kloschüssel zu hängen und mich zu übergeben, während der Mann, den ich verführen wollte, nebenan frühstückte. Ich hatte das Gefühl, nie im Leben einen Fuß aus der Wohnung setzen zu können, geschweige denn, die Zugfahrt zu überstehen.
Zum Glück war Karri nicht wütend, sondern eher mitleidig und belustigt. Er ging zum Kiosk, um Limonade für mich zu kaufen, und suchte in den Schubladen seiner Schwester nach Kopfschmerztabletten. Gegen zwei war ich fähig, Kaffee zu trinken, um vier brachte ich auch ein Brot herunter. Wir schafften es noch zum Fünfuhrzug.
Auf der Heimfahrt wurde mein seelisches Elend schlimmer als das körperliche. Ich konnte es noch immer nicht fassen, dass nichts passiert war. Karri saß neben mir und las Vonnegut. Von Zeit zu Zeit lachte er auf, während mir zum Weinen war.
»Mach dir keine Sorgen; wenn es dir schlecht wird, sage ich einfach, du wärst schwanger«, lächelte Karri und klopfte mir auf die Schulter. Da heulte ich los.
»Ach, du Ärmste, schlaf dich heute aus, und wenn du willst, gehen wir morgen spazieren. Wann musst du anfangen zu arbeiten?«
»Erst Mitte Mai.« Mutter hatte mir einen Sommerjob in der Buchhandlung besorgt, in der sie arbeitete. Es gefiel mir gar nicht, den ganzen Sommer unter ihrer Aufsicht zu stehen, aber während der Rezession konnte man nicht wählerisch sein. In einer Hamburgerkette wollte ich auf keinen Fall jobben.
»Im Moment kommt mir ein Spaziergang völlig ausgeschlossen vor«, stöhnte ich, obwohl ich in Wahrheit bereit gewesen wäre, mit Karri bis
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