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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: du hättest vergessen Du dachtest
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von ihm gezeichnet hatte.
    Einmal hatten wir »Peyton Place« im Fernsehen angeschaut, und Vater hatte mit betrunkener Zärtlichkeit gesagt:
    »Die Betty is schön, aber unsere Mutti is noch viel schöner.«
    Dann hatte er Mutters Brust getätschelt, und sie hatte seine Hand nicht weggeschoben.
    Das waren zwar seltene Momente gewesen, doch waren sie deshalb nicht weniger wahr. Der Gedanke gab mir Kraft, die Einkaufsliste zu schreiben und mich anzuziehen. Ich hatte mir eine Einkaufstasche mit Rädern gekauft, obwohl ich mir damit vorkam wie eine Oma. Dabei war ich noch nicht einmal fünfzig.
    Großmutter könnte ich allerdings schon sein, denn Katja wurde im nächsten Februar dreißig. Als ich so alt war, hatte ich ihr schon den ersten BH gekauft.
    Ich ging zum »Big Apple«, weil ich dort auch nach dem Winterhut gucken konnte, den ich nach der Arbeit vergessen hatte. Die Umgebung des Einkaufszentrums war noch halb im Rohzustand: in den Vorgärten war nichts angepflanzt, viele der Neubauwohnungen standen noch leer. Als ich Anfang der siebziger Jahre nach Matinkylä gezogen war, hatte die Siedlung mitten im Wald gelegen, weitab vom städtischen Leben, doch inzwischen war die Stadt gewachsen und hatte mir eine Waren-vielfalt vor die Haustür gebracht, von der ich in Pielavesi nur hatte träumen können. Vielleicht zog Kaitsu tatsächlich bald aus, dann bekam ich mein bequemes Bett zurück, und in der Küche würde außer mir niemand krümeln. Veikko konnte meinetwegen zum Weihnachtsessen kommen, aber Sara würde ich nicht einladen. Sie sollte aus meinem Leben verschwinden, so wie Eero und Mauri.
    Nachdem ich »Verheimlichtes Leben« und die Nachrichten gesehen hatte, war ich bettreif, denn die letzte Nacht steckte mir noch in den Knochen. Ich habe nicht mehr so viel Energie wie in jüngeren Jahren, als ich …

    VIERZEHN
    Veikko
    … zehn Stunden am Tag Holz hacken konnte. Inzwischen musste ich schon nach einer Stunde eine Pause einlegen.
    Meine Lektorin hatte behauptet, das neue Buch sei mein bestes, sie hatte sogar versprochen, der Verlag werde Werbung dafür machen. Die Korrekturen, die sie verlangte, hatte ich innerhalb von drei Wochen ausgeführt. Sie schlug vor, den Roman ausnahmsweise schon im Frühjahr zu veröffentlichen, weil er dann mehr Aufmerksamkeit wecken würde als in der herbstlichen Flut der Neuerscheinungen. Ich ärgerte mich darüber, denn ich hatte gehofft, im Frühjahr meine Ruhe zu haben. Zum Glück fand die Marketingabteilung die Idee miserabel, weil sich im Frühjahr nur Sprüchesammlungen für die frischgebackenen Abiturienten und Muttertagsschmöker verkauften. Wir einigten uns schließlich auf den August.
    Saras Dokumentarfilm bescherte mir eine Übellaunigkeit, die nicht weichen wollte. Um mich aufzumuntern, betrachtete ich die Landschaft, die sich vor meinem Fenster ausbreitete. Krähen über dem Feld. Verdammter van Gogh, dessen Bilder man nicht mögen durfte, weil das als banal galt. Trotzdem zogen mich seine irrwitzigen Farben und schizophrenen Pinselstriche immer wieder an. Als Student hatte ich zweimal Interrail-Urlaub gemacht und war bei der zweiten Reise wieder über Amsterdam gefahren, nur um mir die Bilder von Neuem anzusehen. Meinen Freunden hatte ich gesagt, ich führe wegen der Nuttenviertel hin. Ich hatte stundenlang vor »Krähen über dem Feld« und den anderen Gemälden gestanden und mich geschämt, weil mir die Tränen kamen. Das ist sonst nicht meine Art.
    Ich kann nur beim Schreiben lügen, Sara dagegen hat in ihrer selbstgeschriebenen Rolle einen glänzenden Auftritt vor der Kamera hingelegt. Wahrscheinlich glaubt sie alles, was sie sagt.
    Sie hat nicht die Geduld, einen Roman zu schreiben, denn sie springt von einem Projekt zum anderen, fängt ein neues an, bevor das alte auch nur halb fertig ist, lässt Gedichte aus sich herauspurzeln und malt am laufenden Meter, wenn ihr danach ist. Sie spricht von Schaffenszwang. Wenn ich das Wort höre, entsichere ich jedes Mal meine geistige Pistole, mit der ich nicht zu schießen wage. Ich schweige und schreibe meine wütenden Gedanken auf, um später auf sie zurückzukommen.
    Sara verwendet viele Wörter, gegen die ich allergisch bin.
    Klischees. Mutters Art zu reden, habe ich immer zu ertragen versucht, sie konnte nichts für ihre Sprache. Und in meinem dritten Roman habe ich einer Nebenfigur Vaters Sprechweise gegeben. Allerdings wurde nur eine verwässerte Kopie daraus, was nicht nur daran lag, dass man in einem gedruckten

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