Leibniz war kein Butterkeks
Pascal als schlagkräftiges Argument für den Glauben wertete, liefert im Grunde das beste Argument gegen einen solchen Glauben: Denn einer Religion, die mit ewigem Höllenfeuer droht, darf man sich als ethisch denkender Mensch gar nicht unterwerfen. Das ist sicher ein wesentlicher Grund dafür, warum moderne Theologen heute auf die Idee der ewigen Verdammnis verzichten. Es ist ihnen oft sogar peinlich, wenn man sie darauf hinweist, dass Jesus im Neuen Testament immer wieder mit dem Höllenfeuer droht, mit dem »Ofen«, in den die »Sünder« geworfen werden und in dem sie ewig brennen müssen.
Ach, das ist nicht bloß eine Erfindung der Kirche? Jesus selbst droht mit dem ewigen Feuer nach dem Tod?
Ja, so steht es mehrfach in der Bibel. Das wird heutzutage aber nur noch selten gepredigt. Denn natürlich wissen moderne Theologen, dass eine Drohung mit ewigen Qualen auf aufgeklärte Menschen nicht nur unglaubwürdig wirkt, sondern auch unethisch. Schließlich kann kein Verbrechen so schlimm sein, dass es angemessen ist, dafür eine ewige Strafe zu verhängen!
Okay: Lassen wir die Höllenandrohung jetzt mal aus dem Spiel. Sie ist ja, wie du gesagt hast, hierzulande ohnehin nicht mehr von allzu großer Bedeutung. Viel wichtiger ist den Menschen doch die positive Seite der Medaille: das Versprechen einer ewigen Glückseligkeit nach dem Tod! Ist das nicht eine echte Trumpfkarte der Religion?
Nun ja, auch da bin ich skeptisch: Du kennst doch das Sprichwort »Nichts ist schwerer zu ertragen als eine Reihe von guten Tagen«, oder? Nun multipliziere mal »eine Reihe von guten Tagen« mit dem Faktor »Unendlichkeit«! Das Ergebnis würde uns nicht gefallen. Wir würden uns, wenn wir nicht sterben könnten, zu Tode langweilen. Selbst wenn wir im Jenseits Tag für Tag neue Leute kennenlernen würden, wenn uns im Paradies die wüstesten Orgien erlaubt wären etc., spätestens nach einer Million oder einer Milliarde Jahren würde sich alles wiederholen. Die Schriftstellerin Esther Vilar hat dazu ein amüsantes Buch mit dem Titel »Die Schrecken des Paradieses« geschrieben. Ihr Fazit: Wenn wir – entgegen aller Wahrscheinlichkeit – je in die Zwangslage kommen sollten, zur Rechten Gottes zu sitzen, würden wir unseren Schöpfer nach all den Jahren himmlischer Langeweile auf Knien darum bitten, uns endlich vom zermürbenden Fluch der Unsterblichkeit zu erlösen! Die letzte Trumpfkarte des Christentums, das »ewige Leben«, ist also, wenn man es sich etwas genauer überlegt, ein »Schwarzer Peter«. Denn wir Menschen sind nicht so gestrickt, dass wir ein ewiges Leben ohne Höhen und Tiefen ertragen könnten. Es ist gerade die Endlichkeit unserer Existenz , die dem Leben seine Würze gibt! Besäßen wir ein »ewiges Leben«, das wir nicht verlieren könnten, wäre unser Dasein öd und leer.
So habe ich das noch gar nicht gesehen. Allerdings denke ich bei der Frage nach einem »Leben nach dem Tod« auch weniger an den »christlichen Himmel« als an Wiedergeburten. Da taucht das Problem der ewigen Langeweile doch gar nicht auf, da man immer wieder von Neuem anfängt. Ist das nicht eine schöne Vorstellung?
Ich weiß nicht: Würdest du denn gerne als Kellerassel wiedergeboren werden? Oder als Bandwurm? Oder hättest du Spaß daran, tausend Mal hintereinander als Kind den Satz des Pythagoras büffeln zu müssen?
Äh, nein …
Siehst du! Wenn man unterstellt, dass man tatsächlich wiedergeboren würde und dabei Teile seiner Persönlichkeit beibehält, so ist auch dies keine angenehme Vorstellung! Deshalb streben Hindus und Buddhisten, die an Wiedergeburt glauben, auch gar nicht danach, wiedergeboren zu werden, sondern vielmehr aus dem »ewigen Kreislauf der Wiedergeburten« erlöst zu werden und in Brahman, der hinduistischen Weltseele, beziehungsweise im buddhistischen Nirwana aufzugehen.
Ihr Ziel als Gläubige ist es also nicht, nach dem Tod weiterzuleben, sondern vielmehr als »Ich« gar nicht mehr zu existieren?
So ist es. Und in diesem Punkt haben wir Naturalisten, wie ich meine, einen klaren Vorteil: Denn wir müssen ganz bestimmt keine komplizierten religiösen Rituale praktizieren, um »Wiedergeburten« zu verhindern. Wir gehen stattdessen den Weg des »Instant Nirwana«, denn wir wissen: Wenn wir tot sind, dann sind wir tot – und es kommt für uns nichts hinterher.
Wie kannst du dir denn da so sicher sein?
Wie du weißt, maße ich mir nicht an, im Besitz »absoluten, sicheren Wissens« zu sein. Aber: Wenn wir alle
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