Leibniz war kein Butterkeks
mitbekommen. Somit steht es weiterhin 1:0.
Korrekt.
Vierte und letzte Möglichkeit: Du glaubst nicht an Gott, aber der existiert doch! In diesem Fall hättest du die große Verliererkarte gezogen, denn für einen solch ungebührlichen Unglauben würdest du, da war sich Pascal sicher, mit ewigen Höllenqualen bestraft werden. Ein dickes Eigentor für den Ungläubigen! Fazit: Die Partie endet mit einem klaren 2:0 für den Gottesglauben. Deshalb, so Pascal, sei es nur vernünftig, an Gott zu glauben, selbst wenn dessen Existenz noch so unwahrscheinlich wäre!
Wow! Wer hätte das gedacht? Das wirkt im ersten Moment wirklich überzeugend, oder?
Ja, die »Pascalsche Wette« hat viele beeindruckt. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass Pascals Rechnung voller Fehler ist.
Ach ja? Welche Fehler meinst du?
Das Problem beginnt schon bei der unzulänglichen Definition der Ausgangsbedingungen, die der Wette zugrunde liegen. Pascal setzte einfach voraus, dass man »Gott« mit dem Gottvater der christlichen Überlieferung gleichsetzen müsse. Aber der christliche Gott ist bekanntlich nur eine von unzähligen Gottesvorstellungen, die unsere Spezies im Verlauf ihrer Geschichte entwickelt hat. Warum sollte ausgerechnet diese Gottesvorstellung als Ausgangsbedingung für die Wette herangezogen werden? Alternativ könnte man ebenso gut vom hinduistischen Polytheismus (Vielgötterglaube) ausgehen, was zu einem 0:0-Unentschieden zwischen Christen und Ungläubigen führen würde. Schließlich dürfte es den Hindugöttern Brahma, Shiva und Vishnu ziemlich schnuppe sein, ob man zeitlebens an die Auferstehung eines jüdischen Wanderpredigers (Jesus) glaubte oder nicht.
Vermutlich.
Man könnte sogar – und zwar mit dem gleichen Recht, mit dem Pascal die Existenz des christlichen Gottes voraussetzte – die Existenz eines antichristlichen Gottes annehmen, der sich einen Spaß daraus macht, Atheisten ins Himmelreich und Christen in die Hölle zu befördern. Und schon wären Pascal, Benedikt XVI. & Co. mit 0:2 ganz böse auf der Verliererstraße.
Hahaha! Das klingt zwar einigermaßen seltsam, aber du hast natürlich recht: Logisch ist auch das möglich …
Was Pascal außerdem in seiner Rechnung völlig unterschlug, sind die Kosten, die durch den Glauben im irdischen Leben entstehen können. Nur deshalb konnte er ja behaupten, dass der Gläubige nichts verliere, wenn Gott nicht existiere.
Welche Kosten hat der Glaube denn?
Nehmen wir das Beispiel des homosexuellen Gläubigen: Wenn er seine Neigungen aufgrund seines Glaubens unterdrückt, nimmt er sich die Chance, sexuelle Erfüllung in seinem Leben zu finden. Das sind durchaus erhebliche Kosten, die wir in unsere Rechnung einkalkulieren müssen! Ein anderes Beispiel sind diejenigen, die sich selbst martern, weil sie meinen, auf diese Weise dem gekreuzigten »Messias« besonders nahezukommen. Blaise Pascal selbst lieferte einen traurigen Beleg dafür, wie kostenintensiv der Gottesglaube im Extremfall sein kann. Denn er war nach einem religiösen Erweckungserlebnis so besessen von der Idee, dem gekreuzigten »Heiland« nachzufolgen, dass er im »Siechtum« den »Naturzustand eines Christen« zu erkennen glaubte. Erst im Siechtum, so Pascal, sei der Mensch so, »wie er immer sein sollte«.
Auweia!
Tragischerweise gehörte Pascal nicht zu jener Sorte Christen, die öffentlich Wasser predigen und heimlich Wein saufen. Nein, er meinte es tödlich ernst! Seine streng asketische Lebensweise dürfte nicht unwesentlich dazu beigetragen haben, dass Pascal schon im Alter von 39 Jahren starb. Friedrich Nietzsche kommentierte dies zwei Jahrhunderte später mit den Worten: »Man soll es dem Christentum nie vergeben, dass es solche Menschen wie Pascal zugrunde gerichtet hat.«
Verstehe: Der arme Kerl opferte sein gutes Leben im Diesseits für ein höchst unsicheres Leben im Jenseits. Das klingt nicht so vernünftig, wie er dachte.
Nein. Außerdem möchte ich bestreiten, dass der Glaube an Himmel und Hölle überhaupt ein guter Grund sein kann, sich dem christlichen Gott zu unterwerfen.
Wieso?
Nehmen wir an, Himmel und Hölle existierten tatsächlich in der Weise, wie Pascal sich das vorstellte: Wäre es unter diesen Umständen wirklich gerechtfertigt, zu Kreuze zu kriechen, um in den Himmel zu gelangen, während der Rest der Menschheit im ewigen Feuer gebraten wird? Ganz sicher nicht! Ein solches Mitläufertum ließe sich ethisch gar nicht legitimieren! Die Höllenandrohung, die
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