Leiche - oben ohne
wenn Onkel Joe die Wahrheit gesagt hatte und ihr Leben
wirklich gefährdet war? Sie bat mich, mit ihr in seine Wohnung zu gehen, und
ich sagte okay.«
Roberta hielt inne und holte
tief Luft. »Ich nahm mir ein Taxi, traf mich mit ihr am Drugstore, und dann
betraten wir das Haus. Ich ging voraus zum Lift, und Lucia wollte mir eben
folgen, als der Pförtner auftauchte, der wohl draußen gewesen war, um jemand
ein Taxi zu rufen. Er dachte sicher, sie sei allein, denn er pfiff hinter ihr
her und rief, die Party sei in 12B, und es gehe dabei so hoch her, daß sie sich
lieber einen Fallschirm umschnallen solle.« Sie rümpfte die Nase. »Ein rechter
Witzbold, dieser Pförtner. Lucia öffnete die Wohnung mit Joes Schlüssel, wir
gingen rein, aber er war nicht da. Wir setzten uns hin und warteten. Nach ein
paar Minuten wollte Lucia sich ein bißchen auffrischen, und da fand sie den
toten Joe im Bad.«
»Es muß ein höllischer Schock
gewesen sein«, sagte ich.
Sie schloß einen Moment die
Augen und nickte. »So wie er aussah, konnte er noch nicht lange tot sein — wenn
wir einige Minuten früher gekommen wären, hätten wir den Mörder womöglich
getroffen. Eine Weile waren wir beide unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen.
Und als wir uns wieder in der Gewalt hatten, wollten wir die Polizei nicht
rufen, weil keine von uns beiden in den Fall verwickelt werden wollte. Lucia,
weil sie Duke Bormans Tochter ist und ihr ganzes Privatleben im Zusammenhang
mit einem Mordfall publik geworden wäre, was sie wahrscheinlich ihren Freund
gekostet hätte — und ich aus Gründen, die Sie ja schon kennen. Also schlug ich
vor, wir sollten in meine Wohnung fahren; falls später jemand fragte, konnten
wir behaupten, Lucia sei gegen halb zehn zu mir gekommen und habe den Abend bei
mir verbracht. Aber dann fiel Lucia der Pförtner ein. Er hatte sie gesehen —
mich freilich nicht, weil ich schon im Aufzug gewesen war. Wahrscheinlich würde
er sich an sie erinnern und aussagen, sie sei allein gewesen.«
Ein leichtes Schmunzeln
kräuselte ihre Lippen. »Und während der ganzen Zeit in Joes Apartment hörten
wir, wie Sie unter unseren Füßen feierten. Ich glaube, der Lärm hat Lucia
schließlich auf die Idee gebracht.«
»In meine Party
hineinzuplatzen?« sagte ich.
»Genau. Das schien
verhältnismäßig einfach — bei all dem Krach und den vielen Menschen würde sie
wahrscheinlich keiner fragen, ob sie denn auch eingeladen sei. Der Pförtner
hatte ja auch gemeint, sie wollte zu Ihnen, und wenn sie beweisen konnte, daß
sie tatsächlich bei der Party gewesen war, dann konnte ihr nichts mehr
passieren. Was sie zu diesem Zeitpunkt natürlich nicht voraussah, das waren die
hochprozentigen Drinks, mit denen sie später von Ihnen traktiert wurde, und die
bewirkten, daß sie hinter der Couch einschlief und das Haus erst heute früh
wieder verließ.«
»Und was war mit Ihnen?« fragte
ich.
»Ich trieb mich im Korridor vor
Ihrem Apartment herum, bis ein paar Leute rauskamen; dann stieg ich mit ihnen zusammen
in den Aufzug. Sie hatten alle schon getankt und bemerkten mich wohl überhaupt
nicht. Als wir unten ankamen, wartete ich, bis der Pförtner für das erste
Pärchen auf Taxisuche gegangen war, dann lief ich zu Fuß ein Stück die Central
Park West entlang, wo ich mir ein Taxi herbeiwinkte.«
»Und dann hat Jerome Ihnen
heute früh diesen Job als Anstandsdame offeriert?«
»Er rief gegen Mittag an. Lucia
hatte ihm alles gebeichtet, und er meinte, für uns beide sei es das beste, zwei
Wochen oder so aus der Stadt zu verschwinden. Jerome glaubt, Joe habe Lucia das
sagen wollen, was er schon wußte — daß jemand Duke Borman mit seiner Tochter
erpressen wollte. Ich fuhr sofort zum Sutton Place, und Jerome unterrichtete
mich über Sie. Den Rest kennen Sie wohl?«
»Mein lieber Mann«, stöhnte
ich. »Lucia ist weg, und der einzige Ort auf dieser Welt, wo wir nach ihr
suchen können, ist Manhattan — aber dort kann ich nicht in meine Wohnung, weil
die Polizei auf mich wartet — und bei Ihnen ist es genau dasselbe Dilemma.«
Sie verdrehte entsetzt die
Augen. »Was machen wir bloß?«
Ich zuckte die Schultern. »Nach
Manhattan fahren, was sonst?«
»Und wo sollen wir bleiben?«
Das war natürlich wieder mal
typisch weibliche Logik, in diesem Augenblick so eine idiotische Frage zu
stellen. »Vielleicht in einem Hotel?« knurrte ich. »Wenn wir dort sind, können
wir uns darüber immer noch den Kopf zerbrechen.« Der Sessel ächzte
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