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Leichenblässe

Titel: Leichenblässe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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abgesehen.»
    Gardner knetete sich den Nasenrücken. Er sah müde aus. «Wie auch immer. Tatsache ist, dass er Samantha Avery irgendwie ausgeschaltet
     hat. Und wenn er warten muss, bis sie wieder zu sich kommt, könnte das uns immerhin etwas mehr Zeit verschaffen.»
    Ich hasste es, auch diese schwache Hoffnung zu zerstören. «Nicht unbedingt. Seine Opfer müssen nur so lange bewusstlos sein,
     bis er sie in den Krankenwagen geschafft hat. Was danach passiert, spielt keine Rolle. Egal, welche Mittel er anwendet – wenn
     sie nur wenige Minuten bewusstlos sind, wird es wahrscheinlich nicht lange dauern, bis sie sich erholt haben.»
    «Ich wusste nicht, dass Sie ein Experte dafür sind», entgegnete Gardner scharf.
    Ich hätte darauf hinweisen können, dass ich früher als Arzt gearbeitet hatte und selbst einmal mit Drogen betäubt worden war.
     Aber das tat nichts zur Sache. Jeder stand unter Anspannung und Gardner mehr als die meisten anderen. Niemand hatte sich bei
     dieser Ermittlung besonders ausgezeichnet, und er hatte letztendlich die Verantwortung. Ich wollte zu dieser Last nicht noch
     beitragen.
    Erst recht nicht, da Sams Leben auf dem Spiel stand.
    Paul schien bereits jenseits von Angst und Panik in einem Zustand der Isolation zu sein. Als er nach dem Telefonat mit Sams
     Eltern zurückkehrte, setzte er sich ohne ein Wort hin und starrte auf den unfassbaren Albtraum, |332| der sein Leben verschlungen hatte. Ihre Eltern wollten am nächsten Tag von Memphis herfliegen, sonst hatte er niemanden benachrichtigt.
     Der einzige Mensch, den er jetzt an seiner Seite wollte, war Sam. Jeder andere war unwichtig.
    Ich war hin und her gerissen, was ich tun sollte. Ich wurde nicht mehr gebraucht, aber ich konnte Paul nicht einfach allein
     lassen und zurück in mein Hotel fahren. Also setzte ich mich mit ihm ins Wohnzimmer, während die TB I-Beamten ihrer Arbeit nachgingen und die letzten Stunden und Minuten des Tages unerbittlich verstrichen.
    Kurz nach elf Uhr kam Jacobsen herein. Paul schaute sofort auf, doch die Hoffnung in seinem Blick erstarb, als sie kurz den
     Kopf schüttelte.
    «Keine Neuigkeiten. Ich wollte Dr.   Hunter nur ein paar Fragen zu seiner Aussage stellen.»
    Er versank wieder in Lethargie, als ich mit ihr hinausging. Sie hatte einen Hefter in der Hand, den sie aber erst öffnete,
     als wir in der Küche waren.
    «Ich wollte Dr.   Avery im Moment nicht damit belasten, aber ich dachte, Sie sollten es wissen. Wir haben noch einmal das Material der Überwachungskameras
     vom Krankenhaus für die Zeit überprüft, als York Dr.   Lieberman angerufen hat. Sie hatten recht mit dem Krankenwagen.»
    Sie reichte mir eine Schwarzweißfotografie aus dem Hefter. Es war das Standbild der Überwachungskamera, das ich bereits gesehen
     hatte und das die dunklen Umrisse von York beim Überqueren der Straße zeigte. Auf der linken Seite konnte man die Rückseite
     eines geparkten Krankenwagens sehen. Es war schwer zu beurteilen, aber es konnte sein, dass York vom Münztelefon darauf zugegangen
     war.
    «Zehn Minuten bevor York das Telefon benutzt hat, traf der Krankenwagen ein und fuhr ungefähr sieben Minuten |333| später wieder weg», sagte Jacobsen. «Wir können den Fahrer nicht erkennen, aber vom Zeitablauf passt es.»
    «Warum sollte er zehn Minuten gewartet haben, bevor er angerufen hat?»
    «Vielleicht musste er warten, bis niemand mehr in der Nähe war, vielleicht wollte er aber auch den Moment auskosten. Oder
     er musste erst Mut fassen. Wie auch immer, um 22.15   Uhr ging er los, um den Anruf zu tätigen, kam dann zurück und wartete. Er rechnete natürlich damit, dass Dr.   Lieberman nach wenigen Minuten herauskommen würde. Als er nicht erschien, wird York noch eine Weile gewartet haben, ehe ihm
     klar wurde, dass etwas nicht stimmte und er verschwinden musste.»
    Ich spielte es im Geiste durch.
York schaut nervös auf die
Uhr und verliert die Zuversicht, als sein Opfer nicht auftaucht
. Nur noch eine Minute, nur noch eine   … Und dann
fährt er wütend davon, um seinen nächsten Schritt zu planen
.
    Jacobsen zog ein weiteres Foto aus dem Hefter. Es war auf einem Teil des Klinikgeländes aufgenommen worden, den ich nicht
     erkannte. Ein Krankenwagen fuhr durchs Bild, der durch die Bewegung verschwommen war.
    «Dieses Bild ist wenige Minuten bevor der Krankenwagen vor dem Leichenschauhaus anhielt, an einem anderen Straßenabschnitt
     aufgenommen worden», sagte sie. «Wir haben seine Route über

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