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Leichenblässe

Titel: Leichenblässe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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Frieden und vielleicht sogar Antworten zu erhalten. Aber ich hatte mich nur selbst getäuscht. Wie Jenny
     und ich schmerzlich hatten erfahren müssen, konnte ich vor meiner Arbeit nicht davonlaufen. Sie machte mich aus, letztlich
     war ich untrennbar mit ihr verbunden. Auf jeden Fall hatte ich das gedacht, bis mir ein Messer in den Bauch gerammt worden
     war.
    |76| Jetzt war ich mir da gar nicht mehr sicher.
    Ich versuchte, die Zweifel beiseitezuschieben, als ich an den Überresten des Opfers arbeitete. Nachdem ich Gewebe und Flüssigkeitsproben
     genommen hatte, die ins Labor zur Analyse geschickt wurden, schnitt ich mit einem Skalpell vorsichtig die Muskeln, Knorpel
     und inneren Organe heraus und beraubte die Leiche damit buchstäblich ihrer letzten Reste von Menschlichkeit. Wer auch immer
     es war, er war ein großer Mann gewesen. Wir würden das Skelett später genau vermessen müssen, aber er war mindestens eins
     neunzig groß gewesen und hatte einen schweren Knochenbau gehabt.
    Kein Mann, den man so leicht überwältigen konnte.
    Wir arbeiteten in beinahe vollständiger Stille. Tom summte abwesend zu einer Dinah-Washington-CD, während Kyle den Schlauch
     aufrollte und dann die Schale säuberte, auf der sich die Insekten und andere Rückstände gesammelt hatten, die er von der Leiche
     abgespült hatte. Ich war mittlerweile in die Arbeit versunken, als plötzlich die Doppeltür des Autopsiesaals aufsprang.
    Es war Hicks.
    «Guten Morgen, Donald», begrüßte Tom ihn freundlich. «Was verschafft uns die Ehre?»
    Der Pathologe antwortete nicht. Sein kahler Schädel glänzte unter den hellen Lichtern wie Marmor, als er Kyle finster anstarrte.
    «Was hast du hier zu suchen, Webster? Ich habe dich gesucht.»
    Kyle wurde rot. «Ich habe nur   …»
    «Er ist gerade fertig geworden», schaltete sich Tom ruhig ein. «Ich habe ihn gebeten, mir zu helfen. Dan Gardner will so schnell
     wie möglich einen vorläufigen Bericht haben. Es sei denn, Sie haben etwas dagegen?»
    |77| Selbst wenn es so gewesen wäre, hätte Hicks das kaum zugeben können. Er richtete seine Wut wieder auf Kyle. «Ich habe heute
     Morgen eine Autopsie. Hast du den Saal vorbereitet?»
    «Äh, nein, aber ich habe Jason gefragt   …»
    «Ich habe es dir gesagt, nicht Jason! Ich bin mir sicher, Dr.   Lieberman und sein
Assistent
können allein zurechtkommen, während du tust, wofür du bezahlt wirst.»
    Es dauerte einen Augenblick, bis mir klar wurde, dass er mich meinte. Tom schenkte ihm ein dünnes Lächeln.
    «Natürlich können wir.»
    Hicks rümpfte die Nase, offenbar enttäuscht, dass niemand mit ihm streiten wollte. «In einer halben Stunde muss alles fertig
     sein, Webster. Kümmer dich darum.»
    «Ja, Sir, tut mir leid   …», sagte Kyle, doch der Pathologe hatte sich bereits umgedreht. Die schwere Tür knallte hinter ihm zu.
    «Na, dann können wir ja wieder aufatmen», sagte Tom in die Stille. «Entschuldige, Kyle, ich wollte dich nicht in Schwierigkeiten
     bringen.»
    Der junge Mann lächelte, doch seine Wangen glühten noch immer. «Schon in Ordnung. Aber Dr.   Hicks hat recht, ich sollte wirklich   …»
    Bevor er seinen Satz beenden konnte, sprang die Tür erneut auf. Zuerst dachte ich, Hicks wäre zurückgekehrt, aber anstatt
     des Pathologen kam eine schräg aussehende junge Frau herein.
    Ich vermutete, dass sie die Studentin war, die uns, wie Tom erwähnt hatte, helfen sollte. Sie war Anfang zwanzig und trug
     ein ausgebleichtes, pinkfarbenes T-Shirt über einer abgewetzten Cargohose. Beides spannte sich über ihrer stattlichen Figur. Das blond gebleichte Haar war durch ein |78| rot-weiß gepunktetes Band zu einer Art Frisur gebunden worden, dazu verlieh ihr die runde Brille ein liebenswürdig erschrockenes
     Äußeres. Das hätte eigentlich mit den zahlreichen Piercings in Ohren, Nase und Augenbrauen kollidieren müssen, tat es aber
     irgendwie nicht. Sobald man den ersten Schock überwunden hatte, schien ihr das schmerzhaft aussehende Metallarsenal im Gesicht
     ganz gut zu stehen.
    Noch ehe die Tür zugefallen war, platzten die Worte in einem atemlosen Schwall aus ihr hervor.
    «Gott, ich kann nicht glauben, dass ich zu spät bin! Ich bin total früh los, damit ich im Institut nach meinen Projekten schauen
     konnte, aber dann habe ich irgendwie jedes Zeitgefühl verloren. Tut mir echt leid, Dr.   Lieberman.»
    «Na, jetzt sind Sie ja hier», sagte Tom. «Summer, ich glaube, Sie haben Dr.   Hunter noch nicht

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