Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Leichenblässe

Titel: Leichenblässe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
Vom Netzwerk:
der exhumierten Leiche
     erzählte, wirkte er noch abgelenkt.
    «Ist alles in Ordnung?», fragte ich schließlich.
    Er legte den Schädel weg. «Kurz bevor Josh gekommen ist, hat Dan Gardner angerufen. Alex Irving wird vermisst.»
    Mein erster Gedanke war, dass es sich um einen Irrtum handeln musste; schließlich hatte ich den Profiler noch am Morgen im
     Fernsehen erlebt. Dann erinnerte ich mich, dass das Interview am Tag zuvor aufgezeichnet worden war. Ich hatte nur die Wiederholung
     gesehen. «Was ist passiert?»
    «Das weiß keiner genau. Anscheinend ist er heute Morgen spazieren gegangen und nicht zurückgekehrt. Seitdem hat ihn niemand
     gesehen.»
    «Ist es nicht ein bisschen früh, zu sagen, er wird vermisst, wenn er erst seit ein paar Stunden verschwunden ist?»
    «Normalerweise ja. Aber er war mit seinem Hund unterwegs.» Tom sah besorgt aus. «Und den hat man mit eingeschlagenem Schädel
     gefunden.»
     
    Das Blut fließt wirbelnd das Spülbecken hinab und durchzieht
das kalte Wasser aus dem Hahn mit roten Marmorstreifen.
Ein Fleischstück, das jetzt, wo das Blut herausgespült wurde,
nur noch blassrosa ist, bleibt im Ausguss hängen. Du drückst
es mit einem Finger durch die Löcher, bis es weg ist.
    Abwesend pfeifend schneidest du frische Chilischoten in
kleine Stücke und lässt sie mit einer Handvoll Knoblauchsalz
in die Pfanne fallen. Nachdem sie zu brutzeln begonnen
haben, nimmst du das Fleisch und gibst es dazu. Die feuchten
Würfel zischen und spritzen, als sie auf das heiße Fett
treffen, eine Dampfwolke steigt auf. Du rührst alles schnell
um und lässt es dann anbraten. Währenddessen öffnest du
|158|
den Kühlschrank und holst einen Karton Orangensaft, Käse
und Mayonnaise heraus. Du suchst ein Glas aus, das einigermaßen
sauber aussieht, und wischst es mit einem Finger
ab. Alles ist verstaubt, aber das fällt dir gar nicht auf. Und
wenn es dir auffallen würde, wäre es dir egal. Manchmal,
als würde sich ein Vorhang heben, bemerkst du die Unordnung
deiner Umgebung und siehst den jahrealten Müll, der
jeden Winkel verdreckt, aber er stört dich nicht. Der Verfall
ist ein Teil der natürlichen Ordnung, und wie könntest du
dich gegen die Natur wenden?
    Nachdem du das erste Glas Orangensaft in einem Zug
getrunken hast, wischst du dir den Mund mit dem Handrücken
ab, streichst dann Mayonnaise auf zwei Scheiben
Weißbrot und bedeckst sie mit dicken Käsescheiben. Du
schenkst dir ein weiteres Glas ein und gehst zu dem großen
Tisch in der Mitte der Küche. Da nicht mehr viel Platz auf
ihm ist, stellst du den Teller auf eine Ecke und ziehst einen
Stuhl heran. Das Sandwich schmeckt wie immer nach
nichts, aber es macht dich satt. Eigentlich vermisst du es
nicht, etwas schmecken oder riechen zu können, jedenfalls
nicht mehr.
    Und erst recht nicht, da es so viel anderes zu genießen
gibt.
    Jetzt werden sich die Ereignisse bald überstürzen, aber das
ist in Ordnung. Damit hast du gerechnet, und unter Druck
bist du am besten. Es läuft genau so, wie du es erwartet hast.
So, wie du es geplant hast. Alles in der Berghütte zurückzulassen
ist ein Risiko gewesen, aber ein kalkuliertes. Es war
komisch, dort draußen außerhalb deiner vertrauten Umgebung
zu arbeiten. Die Sache mit dem Filmbehälter ist ein
brillanter Schritt gewesen, doch die Leiche dort zu lassen, wo
sie gefunden werden musste, ist dir gegen den Strich gegangen.
|159|
Aber es war notwendig. Du wolltest Eindruck machen,
und was wäre besser gewesen, als ihnen eine Mordstätte zu
bieten, an der sie sich austoben konnten? Sollen sie doch wie
die aufgescheuchten Hühner herumlaufen und sich den Kopf
darüber zerbrechen, was du als Nächstes tun wirst. Es wird
ihnen nichts bringen.
    Wenn sie es kapiert haben, wird es zu spät sein.
    Du isst das Sandwich auf und spülst es mit Orangensaft
herunter, der zwar nach nichts schmeckt, aber kalt ist. Im
Mundwinkel sitzt noch ein bisschen Mayonnaise, als du zum
Herd gehst und nach der Pfanne schaust. Du hebst den Deckel
und atmest die aufsteigende Dampfwolke ein. Du kannst sie
nicht riechen, aber dir tränen die Augen, und das ist ein gutes
Zeichen. Das Fleisch beginnt schön braun zu werden. Es ist
wie immer Schwein und nicht Rind. Erstens ist es billiger, und
zweitens würdest du den Unterschied sowieso nicht schmecken
.
    Du nimmst einen Löffel und kostest es. Obwohl du nichts
schmecken kannst, ist es so stark gewürzt, dass es dir im
Mund brennt. Genau so, wie es gutes Chili tun sollte. Du
gibst

Weitere Kostenlose Bücher