Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Leichenblässe

Titel: Leichenblässe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
Vom Netzwerk:
ein paar Dosentomaten dazu, nimmst dann die Pfanne
vom Feuer und legst den Deckel drauf. Jetzt wird es langsam
allein weitergaren, und wenn du zurückkommst, wird
es genau richtig sein.
    Du bist ein großer Anhänger davon, die Sachen im eigenen
Saft schmoren zu lassen.
    Du nimmst den Plastikbeutel mit Schmutzwäsche, den du
bei der Wäscherei abgeben musst, und erinnerst dich daran,
dass du auch deine Vorräte auffüllen solltest. Du brauchst
wieder Dosentomaten und hast kaum noch Batterien und
Fliegenfänger. Du untersuchst die klebrigen Streifen, die von
der Decke hängen. Auf jeden Fall waren sie mal klebrig. Mittlerweile
|160|
sind sie mit toten Fliegen und den Hüllen größerer,
farbigerer Insekten übersät.
    Für einen Augenblick nimmt dein Gesicht eine Leere an,
als wäre dir der Grund für die Streifen kurzzeitig entfallen.
Dann blinzelst du und wirst wieder wach. Auf dem Weg hinaus
bleibst du vor dem Tisch stehen. Der Mann, der darauf
gefesselt ist, schaut dich mit panischem Blick an und atmet
schnaufend an dem Knebel vorbei ein. Du lächelst ihn an.
    «Keine Angst. Ich bin bald zurück.»
    Dann hebst du den schweren Wäschebeutel hoch und
gehst hinaus.

[ Navigation ]
    |161| KAPITEL 10
    Nach und nach entstand ein Bild dessen, was geschehen war. Irving wohnte auf dem Land in der Nähe von Cades Cove, einem wunderschönen
     Ort am Fuß der Smoky Mountains. Jeden Morgen vor dem Frühstück ging er mit seinem Hund auf einem Waldweg hinter seinem Haus
     spazieren. Es war ein fester Teil seiner täglichen Routine, und er hatte diese Gewohnheit bei den Interviews, die er so gern
     gab, mehr als einmal erwähnt.
    Gegen neun Uhr war seine Haushälterin wie fast jeden Morgen in sein Haus gekommen und hatte die Kaffeemaschine angestellt,
     damit Irvings bevorzugte französische Röstung fertig war, wenn er zurückkehrte.
    Doch an diesem Morgen war er nicht zurückgekehrt. Die Haushälterin – seine dritte in zwei Jahren – hatte versucht, ihn über
     sein Handy zu erreichen, aber keine Antwort erhalten. Als die Mittagszeit nahte und er immer noch nicht aufgetaucht war, war
     sie selbst den Waldweg abgegangen. Kaum eine halbe Meile von seinem Haus entfernt hatte sie einen Polizisten gesehen, der
     mit einem älteren Paar sprach, dessen Jack Russell aufgeregt kläffend an der Leine zog. Als sie vorbeigegangen war, hatte
     sie gehört, wie die beiden dem Polizisten von einem toten Hund erzählten, den ihr Terrier gefunden hatte. Einen schwarzen
     Labrador.
    In dem Moment war ihr klar geworden, dass ihr Arbeitgeber |162| möglicherweise nicht zum Mittagessen kommen würde.
    Bei der Durchsuchung der Umgebung war in der Nähe des toten Labradors eine blutverschmierte Eisenstange gefunden worden, zudem
     wies der matschige Boden neben der Leiche Spuren eines Kampfes auf. Es gab zwar mehrere Fußabdrücke, keiner von ihnen war
     jedoch ausgeprägt genug, um einen Gipsabdruck anzufertigen.
    Von Irving selbst fehlte jede Spur.
    «Wir wissen nicht genau, was mit ihm geschehen ist», gab Gardner zu. «Wir glauben, dass das Blut auf der Stange von dem Hund
     stammt, aber sie muss erst im Labor untersucht werden, ehe wir Gewissheit haben.»
    Wir befanden uns nicht im Autopsiesaal, sondern am Ende des Ganges in einem Büro des Leichenschauhauses. Es war fensterlos
     und klein und hätte in jede anonyme Firma gepasst. Gardner war auf Toms Wunsch hin gekommen. Dieses Mal war Jacobsen bei ihm,
     kühl und unnahbar wie immer in einem knielangen anthrazitfarbenen Rock und Sakko. Abgesehen von der Farbe sah die Kombination
     genauso aus wie diejenige, in der ich sie schon gesehen hatte. Ich fragte mich, ob sie einen Schrank voller identischer Kostüme
     hatte, die das ganze dunkle Spektrum neutraler Farbtöne abdeckten.
    Obwohl niemand den eigentlichen Grund für das Treffen erwähnt hatte, war er uns allen bewusst. Auch unausgesprochen erzeugte
     er eine greifbare Spannung in dem kleinen Büro. Gardner hatte seinen Unmut über meine Anwesenheit nur durch einen missbilligenden
     Blick gezeigt, aber nichts gesagt. Er sah noch vergrämter aus als sonst. Die Falten seines braunen Anzugs spiegelten jene
     in seinem Gesicht, so als würde er einer stärkeren Schwerkraft unterliegen als der Rest von uns.
    |163| «Du musst doch irgendwelche Theorien haben», sagte Tom. Er saß hinter dem Schreibtisch und hatte mit einer abwesenden Miene
     zugehört, die seine wachsende Ungeduld zeigte, wie ich wusste. Er war der Einzige, der Platz genommen

Weitere Kostenlose Bücher